Ein Film von Marie Kreutzer.
Marie Kreutzers im Wettbewerb der Berlinale 2019 uraufgeführter Film handelt vom Gefühl der Unsicherheit, wenn sich der Boden unter den Füßen zu bewegen beginnt, statt die Füße auf dem Boden. Die Angst vor dem Fall führt zu Panik, die Panik zum Kontrollverlust und womöglich fällt man. Lola ist Unternehmensberaterin und lernt diese Unsicherheit kennen, zwischen möglicherweise objektiver und subjektiver Realität zu changieren und sich nicht mehr sicher sein zu können. Das muß sie aber in einer Welt der Krokodile, die sie nicht zu genießen scheint (im Gegensatz zu den männlichen Kollegen), aber als Norm akzeptiert und sich wie ein Eisbrecher durch 100 Std. Arbeitswochen, Konkurrenzkämpfe, dutzende Hotelzimmer und einer noch sterileren eigenen Wohnung bewegt. Ein Raum für Liebe und Privatleben scheint in Lolas Universum vorhanden, sie lebt eine Hotelbeziehung mit ihrer Vorgesetzten Elise. Vielleicht ist das aber nur Teil ihrer Kosten/Nutzen Rechnung und deckt notwendige Bedürfnisbefriedigung ab. Die einzige Person, der sie wirklich verbunden scheint, ist ihre ältere Schwester Conny, die wegen ihrer Schizophrenie erneut in die Psychiatrie eingewiesen wird. Sicher spiegelt Conny auch die andere Seite von Lola. Marie Kreutzer schafft viele solcher Spielräume für ihre Hauptfigur und die Zuschauer, sie ermöglichen eine Annäherung an eine Person, die, gut bezahlt, Existenzen ruiniert und Menschen kaputtmacht. Aber es geht hier natürlich um ein menschliches Grundprinzip, selbst ausgedachte Zwänge zu optimieren und anderen aufzuzwingen, um vor ärgeren Befindlichkeiten geschützt zu sein. So vergeht das Leben im Man Muß Ja Stadium, bis es ausgestanden ist.
„Die Arbeit einer Unternehmensberatungsfirma, wo man andere Menschen entlässt und einspart, das war mir immer fremd, aber je intensiver ich mich damit befasst hatte, desto klarer wurde mir, dass es sich dabei um eine zugespitzte Variante unserer Lebensrealität handelt: Da ist es nun mal so, dass die Arbeit über allem steht. Dass es keinen Raum und auch keine Zeit gibt, um wirklich ein Privatleben zu führen. Eine herkömmliche Partnerschaft oder Familie zu haben, ist fast unmöglich. Da sieht man konzentriert, wie unsere Arbeitswelt funktioniert und wie die meisten von uns arbeiten, nämlich immer zu viel und immer mit dem Anspruch, noch mehr zu leisten, auf allen Ebenen perfekt zu sein und alles zu optimieren. Und dadurch auch niemals irgendwo anzukommen.“ Marie Kreutzer
[nbsp]
AT 2019, 108 Min.,
Deutsche Originalfassung mit englischen Untertiteln.
Regie, Buch: Marie Kreutzer
Kamera: Leena Koppe
Schnitt: Ulrike Kofler
mit: Valerie Pachner Pia Hierzegger Mavie Hörbiger Michelle Barthel
- noch keine oder keine mehr