ein Film von Jean-Gabriel Périot
Ende der Sechzigerjahre lehnte sich die Nachkriegsgeneration in der Bundesrepublik gegen ihre Eltern auf. Sie war desillusioniert von den antikommunistischen, kapitalistischen Staatsstrukturen, in denen die Elite des tausendjährigen Reichs, umetikettiert zu Demokraten, ihre Verbrechen unter den Teppich gekehrt hatte.
Zu dieser Generation gehörten auch die Journalistin Ulrike Meinhof, der Rechtsanwalt Horst Mahler, der Filmemacher Holger Meins, sowie die Studenten Gudrun Ensslin und Andreas Baader.
Der Protest gegen den Staat führte zur Gründung der Roten Armee Fraktion (RAF). Hier wird von ihrem langsamen Weg über die zunehmende Politisierung in den bewaffneten Widerstand und die Reaktionen der Bundesrepublik darauf erzählt – ohne Kommentar, ausschließlich mit umfangreichem Film- und Tonarchivmaterial. Jean-Gabriel Périot, der in seinen preisgekrönten Kurzfilmen Archivbilder aufwendig zu pointierten Kommentaren über Gewalt und Geschichte komponiert, präsentiert mit „Une jeunesse allemande“ sein Langfilmdebüt.
Er dokumentiert die Ereignisse, als eine ganze Generation von jungen Leuten gegen den Staat zu protestieren begann und sich daraus eines der blutigsten Kapitel der deutschen Nachkriegs- geschichte entwickelte, weil die Reaktionen des Staates bzw. seiner aus dem Faschismus stammenden und autoritäre Strukturen gewohnten Vertreter gewalttätig waren und Gegengewalt provozierten.
Zudem eskalierte ein Krieg der Bilder, mit Widerhall im zeitgenössischen Film. Deswegen enthält Périots Doku auch Spielfilmszenen, etwa aus Michelangelo Antonionis „Zabriskie Point”, aber auch Teile des Gesprächs von Rainer-Werner Fassbinder mit seiner Mutter aus „Deutschland im Herbst“. Außerdem wurden Filmzitate aus Filmen der ersten DFFB Generation verwendet, zu der u.a. Holger Meins und Harun Farocki gehörten.
Obwohl es angesichts der Materialfülle gelegentlich etwas holpert, ist „Une Jeunesse Allemande – Eine deutsche Jugend“ sehenswert, weil er die Notwendigkeit der 68er dokumentiert, eine Auseinandersetzung mit der Kriegsgeneration zu forcieren um demokratischere Verhältnisse in der BRD zu erkämpfen.
„Mit meinem Film hole ich die Bilder der Vergangenheit in unsere Gegenwart und organisiere sie neu zu einer subjektiven Montage. Dabei interessiert mich das, was über die offensichtliche Botschaft der Bilder und Töne hinausgeht. Die Widersprüche und die besondere Präsenz des Materials – wie es mich bewegt und verstört.“
Jean-Gabriel Périot
Schweiz/Deutschland/Frankreich 2015, 93 Minuten, dt./frz. OmU
Regie, Buch, Schnitt: Jean-Gabriel Périot