Ein Film von Jessica Hausner.
Eine bestechende Idee, und ihre kongeniale Umsetzung: eine kleine, strubbelige Pflanze, die so gen-manipuliert wurde, dass sie Menschen glücklich macht, kämpft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln um das Überleben ihrer Art, und geht dabei auch über Leichen.
Alice, Biologin und führende Entwicklerin und anfangs glühende Verteidigerin dieses geplanten Verkauf-Hits, reimt sich die bedrohlichen Veränderungen in ihrer Umgebung so zusammen. Sie hat einen Prototyp der purpurroten Blume mit nach Hause genommen, sie „Little Joe“ genannt und ihrem Sohn Joe anvertraut, der sich rührend um sie kümmert. Jetzt verweigert der sich aber der Mutter immer mehr. Und was hat das beunruhigende Verhalten des Hundes der Kollegin hervorgerufen? Und warum will plötzlich niemand im Labor eine Gefahr erkennen? Es scheint Alice, als wende sich nicht nur Joe, sondern auch ihre eigene Züchtung gegen sie. Aber ist wirklich die kleine Blume für all das verantwortlich? Oder ist es nur ihre Projektion? Joe ist schließlich in der Pubertät und Bellas Hund könnte altersverwirrt sein.
In diese moderne Body-Snatcher-Version kann viel hineininterpretiert werden. Ebenso aber können die gesellschaftlichen Fragen, die aufgeworfen werden, uns beunruhigen. Jessica Hausner beobachtet scharf, lässt Lücken zu und versorgt uns obendrein noch mit etwas schwarzem Humor. Mit ihrer unichromen und komplementären Farbgebung, brillianter Künstlichkeit und der ungewöhnlichen, aber unaufdringlichen Tonbegleitung macht uns die Regisseurin in ihrem ersten englischsprachigen Film vor, wie ansprechend Unbehagen dargestellt werden kann.
„Wie alle Filme von Hausner birgt deshalb auch Little Joe im Kern ein höchst ironisches Anliegen. Es geht nicht um die Frage, wer Menschen manipuliert, sondern vielmehr darum, was uns am anderen unvertraut ist. Das Pflänzchen wurde gezüchtet, um seine Besitzer durch das „Mutterhormon“ Oxytocin glücklicher zu machen. Nun wird es zum Statthalter eines Befremdens, das auch den eigenen Egoismus entlarvt.“ Dominik Kamalzadeh | Der Standard
AT/GB/DE 2019, 109 Min., engl. OmU
Regie: Jessica Hausner
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Karina Ressler
mit: Emily Beecham, Ben Wishaw, Kerry Fox
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