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Mein Leben als Zucchini

Ein Film von Claude Barras.

Der Eröffnungsfilm von DOK Leipzig (wo sowohl Dokumentar- als auch Animationsfilme gezeigt wer­den) 2016 hat schon welt­weit auf vie­len Festivals, so auch in Cannes bei der Quinzaine des Réalisateurs, die Zuschauer begeis­tert. Das Buch zu  CLAUDE BARRAS‘ Langfilmdebut ver­fass­te Bande-des-Filles / Tomboy Regisseurin CELINE SCIAMMA nach dem Roman „Autobiographie d’une Courgette / Autobiografie einer Pflaume“ von Gilles Paris , und SOPHIE HUNGER spiel­te die pas­sen­de Musik ein.Der klei­ne Zucchini, so sein Spitzname, steht ganz allei­ne auf der Welt. Der Vater ist schon lan­ge fort, die alko­hol­kran­ke Mutter stürzt bei der Verfolgung des 9‑Jährigen auf den Dachboden, wo er sich aus Angst vor Schlägen hin­ret­te­te, die Leiter her­ab und ist tot. Sein Schicksal teilt er fort­an mit einer Reihe Kinder, deren kur­ze Biografien ähn­lich trau­ma­ti­sche Erfahrungen auf­wei­sen, in einem klei­nen Waisenhaus. Zuerst hat er es als Neuling schwer, letzt­end­lich aber rau­fen sich alle mehr oder weni­ger zusam­men und müs­sen gemein­sam man­chen Herausforderungen trotzen.Die lie­be­vol­le Stop-Motion-Animation und der sen­si­ble Umgang mit den Problemen der Charaktere, denen auch Wut, Melancholie und Trauer zuge­stan­den wer­den, machen den unty­pisch und mit teil­wei­se schrä­gem Humor erzähl­ten Film sehens­wert für alle Altersgruppen.

»Die Figurenzeichnung und die Modellierung der Puppen gelin­gen über­aus genau. Trotzdem liegt etwas Allgemeingültiges dar­in, wie sich die Kinder über ihre ver­schie­de­nen Herkünfte und Traumata hin­weg annä­hern: Schmerz und Trauer sind Teil des Lebens; wir tun nie­man­dem einen Gefallen, wenn wir sie aus­blen­den.« Hannah Pilarczyk | Der Spiegel

Wir zei­gen „Mein Leben als Zucchini / Ma vie de Courgette“ sowohl im fran­zö­si­schen Original mit deut­schen Untertiteln als auch als deut­sche Synchronfassung.

Ma vie de Courgette
F/CH 2016 66 Min. dt, OmU

R.: Claude Barras
B.: Celine Sciamma
K.: David Toutevoix
S.: Valentin Rotelli

MA VIE DE COURGETTE – Trailer (Mein Leben als Zucchini, CH, F, 2016) – Anidrom

Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki

Ein Film von Juho Kuosmanen.                                                                            Trailer

Olli Mäki ist ein äußerst schüch­ter­ner jun­ger Mann, ein sym­pa­thi­scher Bäcker aus der fin­ni­schen Provinz – aber auch das größ­te Boxtalent sei­nes Landes! Im Sommer 1962 ver­schafft ihm sein ehr­gei­zi­ger Manager Elis einen Titel-Kampf gegen den ame­ri­ka­ni­schen Weltmeister Davey Moore. Die Vorbereitungen auf den gro­ßen Tag ste­hen an: Trainings, Fotoshootings, Sponsorendinner – aber Olli ist mit sei­nen Gedanken ganz woan­ders. Der Weiterlesen

Love & Friendship

Ein Film von Whit Stillman.

Ungefähr alle 2 Jahre ver­su­chen wir, Zuschauer in einen Film des in unse­rem Kino eher unge­wohn­ten Genres, den soge­nann­ten „Kostümfilms“ zu locken. 2012 war Benoit Jacquot am Hof König Ludwigs XVI. zu Beginn der fran­zö­si­schen Revolution unter­wegs (LEBWOHL, MEINE KÖNIGIN), 2014 beschäf­tig­te sich Dominik Graf mit den Liebesaffären Friederich Schillers (DIE GELIEBTEN SCHWESTERN). Diesmal ver­film­te Whit Stillman (METROPOLITAN, LAST DAYS OF DISCO, DAMSLES IN DISTRESS) auf sei­ne stets eige­ne Art Jane Austens „Lady Susan“, und es ist tat­säch­lich die ers­te fil­mi­sche Adaption die­ses Werks. Herausgekommen ist eine wit­zig-ele­gan­te Screwball-Comedy in bri­ti­schem Gewand. Die Viennale beschrieb das so in ihrem Katalog:
»Whit Stillman und Jane Austen sind das Traumpaar, das in die­sem Film zusam­men­kommt. Die gro­ße Liebe, die den ame­ri­ka­ni­schen Independentregisseur mit der eng­li­schen Romanautorin ver­bin­det, ist die zu kunst­voll mäan­dern­den Dialogen, in denen sich Figuren ver­klei­den und gleich­zei­tig ent­blö­ßen. Wenn Sevigny und Beckinsale, die schon 1998 in Whitmans LAST DAYS OF DISCO dabei waren, hier nun in 19. Jahrhundert-Kostümen die fein zise­lier­ten Sätze aus Austens frü­hem Briefroman «Lady Susan» wie­der­ge­ben, erfolgt das in typisch Whitman’scher «dry deli­very», was den ver­steck­ten Witz all der Heirats-Intrigen erst rich­tig zum Funkeln bringt.«, und bei programmkino.de wird geschwärmt:
»…ent­puppt sich als höchst char­man­ter Coup. So umwer­fend komisch und bril­lant scharf­zün­gig gab es die Austen nur sel­ten zu sehen.«
Wir wün­schen viel Vergnügen zum Jahresende!

USA 2016, 92 Min., engl. OmU
Regie: Whit Stillman
Drehbuch: Whit Stillman
Kamera: Richard Van Oosterhout
Schnitt: Sophie Corra
Darsteller: Chloë Sevigny, Kate Beckinsale, Stephen Fry, Xavier Samue

 

Austerlitz

Ein Film von Sergei Loznitsa.

Der Dokumentarfilm AUSTERLITZ – benannt nach dem Roman von W.G. Sebald – beob­ach­tet BesucherInnen meh­re­rer KZ-Gedenkstätten an som­mer­li­chen Tagen. In lan­gen, sta­ti­schen Einstellungen sieht der Film den­je­ni­gen zu, die sich dort in Strömen von Raum zu Raum Weiterlesen

Baden Baden

Ein Film von Rachel Lang.

’Baden-Baden‘‚ ist ein etwas merk­wür­di­ger Name. Zumal Baden-Baden zu Baden gehört. Wahrscheinlich liegt hier der Hund begra­ben. Es gibt ein schö­nes Elektronikalbum von Michaela Melian mit dem Titel „Baden-Baden“. Und jetzt den Film. Ein wun­der­voll flu­si­ger Film übers zer­streu­te Dribbeln durch den Sommer. Charmant nost­al­gisch und von berüh­ren­der Fremdheit. Die Protagonistin Ana fährt zu ihrer Großmutter nach Strasbourg, dem Ort, an dem sie sich zuhau­se fühlt.  Aufgrund eines Unfalls muß die Besuchte aber ins Krankenhaus. Ana beschließt, wäh­rend der Abwesenheit das Bad zu reno­vie­ren. Zwischen die­ser kon­kre­ten Aufgabe mit ihren prak­ti­schen Anforderungen des Kleinkloppens und Neuaufbauens und der Frage, wohin es in ihrem (Erwerbs)leben eigent­lich geht, von dem sie gera­de eine Auszeit genom­men hat (bzw. gefeu­ert wur­de), ver­streicht die Zeit sorg­fäl­tig und unauf­ge­regt. Während die Sonne des Sommers wärmt und Geborgenheit spen­det. Der ver­trau­te Ort und der Blick auf die Jahre zuvor füh­ren zu Begegnungen mit den alten Liebhabern. Selbst die glän­zen in ihrer ner­vi­gen Selbstbezogenheit im hel­len Licht, als wären sie gera­de erst neu in Anas Leben getre­ten. Spielerisch wird noch ein­mal aus der Vergangenheit geschöpft, ohne die Folgen fürch­ten zu müs­sen. Und dann kommt es in die­sem sorg­fäl­tig cho­reo­gra­fier­ten Reigen zum Jahresanfang noch zu der Begegnung mit dem schüch­ter­nen Mann im Baumarkt, der tat­säch­lich in der Nähe von Baden-Baden liegt.

F/BE 2016, 94 Min. frz. OmU
Regie: Rachel Lang
Kamera: Fiona Braillon
Schnitt: Sophie Vercruysse
mit: Salomé Richard, Claude Gensac, Swann Arlaud, Olivier Chantreau, Lazare Gousseau, Jorijn Vriesendorp, Driss Ramdi, Noémie Rosset u.a.

Baden Baden Trailer OmU

Das unbekannte Mädchen

Ein Film von Jean-Pierre und Luc Dardenne.

Jenny, eine jun­ge Ärztin, führt eine Praxis ver­tre­tungs­wei­se in einer bel­gi­schen Vorstadt. Als eines Abends nach Sprechstundenschluss es noch ein­mal klin­gelt, macht sie nicht auf, im Glauben, dass es sich nicht um einen Notfall han­delt. Am nächs­ten Tag erfährt sie von der Polizei, dass eine nicht iden­ti­fi­zier­te Person tot auf­ge­fun­den wur­de, offen­bar die jun­ge Frau, die am Vorabend in ihre Praxis wollte.

Sich (mit)schuldig füh­lend, fängt die Ärztin an, Nachforschungen anzu­stel­len, um zumin­dest den Namen der Toten zu ermit­teln. Bald schon gerät sie dabei immer tie­fer in ver­schie­de­ne Milieus. Anfangs läuft sie Gefahr, sich in ihrer Recherche zu ver­lie­ren, spä­ter jedoch beginnt ihre Umwelt auf ihre Hartnäckigkeit zu reagieren.

Der Film spielt wie immer an einem Durchgangsort, der eine gro­ße Unbehaustheit aus­strahlt, dort, wo eigent­lich nie­mand woh­nen will und wenn doch, gezwun­gen ist, sich ein­zu­rich­ten. Wie so häu­fig dreht es sich bei den Dardennes um Schuld, Trost, Zuwendung, den unab­läs­si­gen Kampf gegen Windmühlen und hier beson­ders auch um die Selbstfindung der Personen. Schön, wie es ihnen immer wie­der gelingt, nicht ‑wie in vie­len Sozialdramen- pla­ka­tiv zu typi­sie­ren, son­dern eine Vielschichtigkeit zu bewah­ren und dabei einen zärt­li­chen Blick auf ihre Protagonisten und ihre Welt zu wer­fen, nicht aber auf die Verhältnisse, in denen sie leben müssen.

Es ist immer wie­der beein­dru­ckend, mit wel­cher Souveränität und schnör­kel­lo­sen Klarheit es den Brüdern Jean-Pierre und Luc Dardenne gelingt, das jewei­li­ge Milieu ihrer Filme und die mora­li­schen Konflikte ihrer Figuren in der Exposition zu kon­tu­rie­ren.“ (Filmdienst)

 

La fil­le inconnu
Belgien / Frankreich 2016, 106 Min., frz. OmU

Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne
Kamera: Alain Marcoen
Schnitt: Marie-Hélène Dozo
Darsteller: Adèle Haenel, Fabrizio Rongione, Thomas Doret, Morgan Marinne, Christelle Cornil

DAS UNBEKANNTE MÄDCHEN – OmU Trailer

Continuity

Ein Film von Omer fast. Ab 17.11. im fsk.

Omer Fast ist Videokünstler. Im Martin-Gropius-Bau gibt es ab 18.11. unter dem Titel „Reden ist nicht immer die Lösung“ eine Ausstellung mit sie­ben sei­ner Projekte zu sehen. Die letz­te Berlinale hat­te 2 Filme von ihm im Programm: Das vor kur­zem im Kino gelau­fe­ne Vexierspiel „Remainder“ lief im Panorama, der ungleich kom­ple­xe­re „Continuity“ ent­spre­chend beim Forum Expanded. Weiterlesen

Ich, Daniel Blake

Ein Film von Ken Loach.

[im Indiekino Club]

Nach einem Herzinfarkt darf der 59-jäh­ri­ge Schreiner Daniel Blake nicht mehr arbei­ten. Er bean­tragt die ihm zuste­hen­den staat­li­chen Leistungen und ver­sinkt dabei lang­sam im Treibsand der Bürokratie und ihrer kaf­ka­es­ken Strukturen. Anstatt pro­fes­sio­nel­ler Betreuung durch die dafür zustän­di­gen Behörden fin­det er sich in der Rolle des Don Quijotes wie­der. Dabei lernt er eine allein­er­zie­hen­den Mutter ken­nen, die in der glei­chen Lage steckt (kei­ne Liebesgeschichte). „I, Daniel Blake“ ist durch und durch ein Ken Loach Film, das Mitgefühl für sei­ne Protagonisten spie­gelt sich in jeder Einstellung. Er doku­men­tiert ihren Kampf um mensch­li­che Würde und Grundrechte in einem Staat, der für die Gewinnmaximierung Weniger opti­miert wur­de und den Interessen der Mehrheit mit Ruhigstellungsstrategien begeg­net. Wer dabei nach unten durch­rutscht, darf sich als Paria betrach­ten. Loach macht Filme dar­über, wie ein­fach es sein kann, dort zu lan­den. Darüber, das es sta­tis­tisch wahr­schein­li­cher ist, einen Herzinfarkt zu bekom­men und den Arbeitsplatz zu ver­lie­ren als Aufsteiger der Woche oder Lottokönig zu wer­den. Als Bedürftiger gerät man aber an ein Sozialsystem, das dem Namen nicht mehr gerecht wird. Und Ken Loach bleibt mit sei­nen gera­de mal 80 Jahren ein bewun­derns­wer­ter Regisseur, der die Hauptrolle dem eher unbe­kann­ten Stand-up Comedian Dave Johns anver­trau­te. Seine Darstellung der Titelfigur berührt unge­mein und hat gleich­zei­tig einen Witz, der sei­ne Widerborstigkeit unter­streicht, sich nicht unter­krie­gen zu lassen.

Mein lang­jäh­ri­ger Ko-Autor Paul Laverty und ich hat­ten viel über die Stolpersteine der Sozialhilfe gehört. Also tour­ten wir durch England und tra­fen uns mit Leuten in Jobcentern und Ausspeisungsstellen. Ihre Geschichten haben uns scho­ckiert. Unzählige sind unwür­di­gen Mechanismen aus­ge­setzt, aber kaum einer spricht dar­über. …Die Jobcenter-Angestellten müs­sen ein gewis­ses Sanktionspensum erfül­len. Wenn sie das nicht schaf­fen, wer­den sie auf eine „Optimierungsliste“ gesetzt und ste­hen unter Druck, ihre Straffrequenz zu erhö­hen. Es ist eine Zermürbungsstrategie. Wenn das Amt einen Sozialhilfeanwärter als arbeits­taug­lich ein­stuft, die­ser aber mit einem ärzt­li­chen Attest Einspruch erhebt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich durch­set­zen kann, rela­tiv hoch. Also ver­sucht man, es gar nicht so weit kom­men zu las­sen.“ Ken Loach


OT: I, Daniel Blake

Frankreich/Großbritannien 2016, 100 Min., engl. OmU
Regie: Ken Loach
Drehbuch: Paul Laverty
Kamera: Robbie Ryan
Schnitt: Jonathan Morris
Darsteller: Hayley Squires, Colin Coombs, Micky McGregor, Dave Johns, Briana Shann

 

Les Sauteurs – Those Who Jump

Ein Film von Moritz Siebert, Estephan Wagner, Abou Bakar Sidibé, Ab 17. November im fsk.
Am 18.+ 22.11. in Anwesenheit der Regisseure.

Vom Berg Gurugu blickt man auf die spa­ni­sche Enklave Melilla an der nord­afri­ka­ni­schen Mittelmeerküste. Afrika und die Europäische Union wer­den hier durch eine hoch­ge­si­cher­te Grenzanlage, bestehend aus drei Zäunen, von­ein­an­der getrennt. In den Wäldern des Bergausläufers leben Geflüchtete, meist aus der Subsahara-Region, die ver­su­chen, die­se Weiterlesen

Right now, wrong then

Ein Film von Hong Sang-soo.

Es hat nicht sol­len sein.“ Was retro­spek­tiv über vie­le Beziehungen gesagt wird, die schei­tern bevor sie rich­tig begon­nen haben, trifft auch auf das Verhältnis Ham Chun-su und Yoon Hee-jung zu. Er ist Regisseur und wegen einer Filmvorführung in Suwon. Dummerweise reist er einen Tag zu früh an und lernt zufäl­lig die Künstlerin Hee-jung ken­nen. Die bei­den ver­brin­gen den Tag zusam­men, besu­chen ihr Atelier, essen Sushi, trin­ken Soju und gehen am Abend mit Freundinnen aus. So kom­men sie ein­an­der näher, Weiterlesen