ein Film von Azra Deniz Okyay.
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Ein beliebiger Tag in der nahen Zukunft, ein Stromausfall legt das Leben in der türkischen Metropole Istanbul still, auch wenn die Werbung im Autoradio eine unbeschwerte Zukunft verspricht. Nicht in den eleganten Vierteln der Innenstadt spielt „Ghosts“, nicht dort, wo wohlhabende Istanbuler einem westlichen Lebensstil nacheifern, sondern am Rand der Megalopolis, in Vierteln, die von baufälligen Gebäuden geprägt sind, vom täglichen Kampf ums Überleben erzählen.
In diesen Straßen leben die vier Protagonisten von „Ghosts“, drei Frauen und ein Mann, deren Wege sich im Verlauf der 90 Minuten immer wieder kreuzen. Da ist Didem (Dilayda Gunes), die davon träumt, durch ihre Leidenschaft zum Tanzen Geld zu verdienen, die sich momentan aber noch mit Gelegenheitsjobs durchschlägt. Iffet (Nalan Kurucim) arbeitet bei der Müllabfuhr und versucht mit zunehmender Verzweiflung Geld aufzutreiben, um ihren Sohn zu unterstützen, der im Gefängnis sitzt und sich Angriffen ausgesetzt sieht. Die Aktivistin Ela (Beril Kayar) kämpft gegen die betrügerischen Machenschaften der öffentlichen Verwaltung, die zur Gentrifizierung der Stadt beiträgt und langjährige Mieter aus ihren Wohnungen vertreibt. Ein Teil dieses Systems ist Rasit (Emrah Ozdemir), der zu völlig überhöhten Preisen Räume an syrische Flüchtlinge vermietet.
Viele Aspekte des Lebens in der modernen Türkei reißt Azra Deniz Okyay in ihrem Debütfilm an, vom Umgang mit den Flüchtlingen aus dem benachbarten Syrien, über die misogynen Strukturen, die Frauen gleichermaßen sexualisieren, ihnen aber auch viele Freiheiten vorenthalten, bis zum Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch, der nach fast einem Jahrzehnt der zunehmend autokratischen Herrschaft von Recep Tayyip Erdoğan immer stärker wird.
Zwangsläufig bleiben manche Ansätze schematisch, werden einzelne Figuren weniger vielschichtig gezeichnet als andere, wirkt manche Metapher – der Stromausfall, der droht, die Gesellschaft in Dunkelheit versinken zu lassen! – weniger subtil als andere. Doch die überzeugenden Momente überwiegen bei weitem. Gerade für einen Debütfilm gelingt es Okyay außerordentlich gut, die Geschichten, die Schicksale ihrer vier Protagonisten zu gewichten, rhythmisch zwischen den Episoden hin und her zu schneiden und so ein vielschichtiges Porträt der modernen Türkei zu entwickeln.
So pessimistisch ihr Blick auf ihr Land oft auch wirkt, so viele Missstände angedeutet werden, so rückständig gerade die Rolle der Frau oft wirkt: Hoffnungslos wirkt die Situation nicht. Gerade im Tanz findet Dilem und mit ihr der Film ein Ventil, ihre Energie auszuleben, sich zu verlieren und für Momente alle Sorgen zu vergessen. Wie es nach diesem einen Tag mit den Figuren weitergeht bleibt unklar, ihr Weg ist ebenso offen wie der Weg, den die Türkei in den nächsten Jahren einschlagen wird.
Michael Meyns | programmkino.de
Credits:
Hayaletler
TK/FR 2020, 90 Min., türk. OmU
Regie & Buch: Azra Deniz Okyay
Darsteller: Dilayda Gunes, Nalan Kurucim, Beril Kayar, Emrah Ozdemir, Ahmet Turan, Ihsan Ozgen, Ekin Aribas
Trailer:
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