Ein Film von Małgorzata Szumowska.
[Credits] [Indiekino Club] [Trailer]
Die Kamera fährt durch eine Scheibe und zeigt bewegungslose Gesichter, von denen man zunächst vermuten könnte, dass es sich um Passagiere einer frühmorgendlichen Straßenbahn handelt. Dann enthüllt sie den wahren Charakter der Szenerie: Ein Supermarkt lockt mit Flat-Screen-Glotzen, allerdings nur für Schnäppchenjäger*Innen, die bereit sind, sich beim Run auf die Ware bis auf die Unterwäsche auszuziehen. Und so spielen sich bizarre Szenen ab: Halbnackte Körper balgen sich um die Geräte und fügen einander allerlei Gemeinheiten zu, um sich die begehrten Stromfresser zu sichern. Jacek (Mateusz Kosciukiewicz), der zu Heavy Metal in seinem kleinen roten Polski Fiat durch die Gegend brettert, erkämpft sich einen. Jacek und Dagmara (Malgorzata Gorol) sind Lula und Sailor aufm Dorf, allerdings werden sie nur von der Stumpfheit der Mitbewohner des platten Landes bedroht. Aber ist die harmloser als die Alptraumlandschaft eines David Lynch? Nein. Die riesige, im Bau befindliche, die Landschaft erschlagende Jesus Statue, enthüllt einen Realitätsverlust und Rückfall in vergessen geglaubte Zeiten, die das 21. Jahrhundert so unappetitlich machen. Jacek arbeitet auf der Baustelle bis zum Sturz vom Gerüst, dem Wendepunkt des Films, der den Anfang seiner Passionsgeschichte bedeutet. Er wird von den Toten auferstehen, unerkannt unter seinesgleichen weilen und die Suche fortsetzen, die Małgorzata Szumowskas Protagonisten in „Body“ angefangen haben. Der ruhige Strom der Filmerzählung wird immer wieder von Tableaus unterbrochen, die das Geschehen ungemein verdichten, man schaut sie erst an wie etwas Fremdes, um dann die Homogenität zu erkennen und zu genießen. Die Sicherheit der Filmemacherin, aus den vermeintlich nicht zusammenfügbaren Teilen etwas zu erschaffen, was über der Summe dieser steht, ist erstaunlich.
Małgorzata Szumowskas Thema sind Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Existenz mit dem nötigen Glauben zu unterfüttern, sie zweifeln, stolpern und sie fallen. Aber es gibt ein Licht am Ende des Tunnels und es ist kein Zug. Die Regisseurin verspricht ihren Figuren kein Paradies, aber Ehrlichkeit und Würde. Gleichzeitig demontiert sie die polnische Staatsreligion und beschäftigt sich mit der Absurdität des Geschehens in und um die starre Festung Katholizismus, die derzeit gut im Futter steht.
Leider schade: Die Christus-König-Statue, 2010 nahe Świebodzin aus dem Boden gestampft, ist die größte (6 m über Christus-Erlöser-Statue in Rio). Allein 3 m Höhe mißt die Krone, die den Anspruch auf weltlichen Einfluß unterstreicht.
Twarz
Polen 2018, 91 Min., poln. OmU
Regie:Małgorzata Szumowska
Buch: Małgorzata Szumowska, Michał Englert
Kamera: Michał Englert
Montage: Jacek Drosio
mit: Mateusz Kościukiewicz
Agnieszka Podsiadlik
Małgorzata Gorol
Roman Gancarczyk
Dariusz Chojnacki
Robert Talarczyk
Anna Tomaszewska
Martyna Krzysztofik
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