Ein Film von Kelly Reichardt. Ab 16.10. im fsk.
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„Ich habe alles genau geplant“ behauptet JB (Josh O’Connor), als er seinen Kumpanen von seinem Plan erzählt. Er ist der Anführer, das Mastermind, doch selbst wenn man mit den Filmen von Kelly Reichardt nicht vertraut sein sollte, ahnt man schon nach wenigen Minuten von „The Mastermind“, dass der Titel ironisch gemeint ist.
Zusammen mit seiner Frau Terri (Alana Haim) und den zwei Kindern lebt JB in einer Kleinstadt in Massachusetts, es ist 1970, Richard Nixon sitzt im Weißen Haus, im fernen Vietnam tobt seit Jahren ein Krieg, gegen den auf den Straßen zu Hause mit zunehmender Vehemenz protestiert wird. Eigentlich ist JB Schreiner, doch einen festen Job hat er nicht. Sein Vater (Bill Camp), ein geachteter Richter, und seine Mutter (Hope Davis) unterstützen ihn, finanzieren ein Leben, das dahinplätschert, ohne Ziel und Plan.
Der geplante Einbruch in einem kleinen lokalen Museum, wo die Gemälde des selbst in seiner Heimat wenig bekannten amerikanischen Malers Arthur Dove Ziel von JBs Plan sind, soll alles ändern, aber was genau? Erstaunlicherweise gelingt der Plan, zumindest landen die vier Gemälde am Ende in JBs Familien-Kombi.
Kurz darauf sind seine Komplizen schon in Polizeigewahrsam und JB auf der Flucht. Seine Frau und die Kinder lädt er bei den Schwiegereltern ab und fährt los, mit dem Ziel Kanada, wohin es in den frühen 70ern vor allem Kriegsdienstverweigerer zog, wo aber auch ein Dieb Unterschlupf finden könnte.
Schon des öfteren hat Kelly Reichardt Genrefilme gedreht, die den Regeln ihres Genres folgten, sie aber gleichzeitig unterliefen und damit die ihnen zu Grunde liegende Ideologie hinterfragten. „Meek’s Cutoff“ war ein Anti-Western, „Night Moves“ ein Anti-Thriller, nun also ein Anti-Heist-Film. Das alle drei Genre traditionell starke, souveräne Männer-Figuren in den Mittelpunkt stellen, die auf Grund ihrer Cleverness und Maskulinität ihre Ziele erreichen, macht die Genre-Dekonstruktionen bei Kelly Reichardt zu Reflexionen über die Krise der Männlichkeit.
Perfekt besetzt wirkt dabei in diesem Fall Josh O’Connor, der schon als etwas verhuschter junger Prince Charles in „The Crown“ Männlichkeit eher vorgab, als wirklich verkörperte und auch in Spielfilmen wie „La Chimera“ oder zuletzt „Challengers“ Männer-Figuren spielte, die an den Erwartungen an ihr Geschlecht zu scheitern drohten.
Betont passiv spielt O’Connor in „The Mastermind“, wirkt weniger in Kontrolle, als Getrieben von den Ereignissen, die er selbst, ohne die Konsequenzen wirklich zu durchschauen, in Bewegung gesetzt hat. Immer deutet Reichardt dabei den historischen Kontex an, zeigt TV-Berichte aus Vietnam, lässt JB an Demonstrationen gegen den Krieg vorbeifahren. In welchem Zusammenhang das persönliche Schicksal JBs und die gesellschaftliche Realität der USA um 1970 stehen lässt Reichardt offen, sie bietet Interpretationsmöglichkeiten an, hält sich selbst aber zurück. Man kann „The Mastermind“ daher auch einfach nur als Tragikomödie über einen Mann lesen, der sich selbst überschätzt oder als Genrefilm, der die Konventionen seiner Form dekonstruiert. Vor allem aber ist es ein weiterer, sehr spezieller Kelly Reichardt-Film, inzwischen fast selbst ein eigenes Genre.
Michael Meyns



Credits:
US 2025, 110 Min., engl. OmU
Regie & Schnitt: Kelly Reichardt
Kamera: Christopher Blauvelt
mit: Josh O’Connor, Alana Haim, Hope Davis, John Magaro, Gaby Hoffmann, Bill Camp
Trailer:
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