Cahier Africain

Ein Film von Heidi Specogna.

Im wahrs­ten Sinne des Wortes steht ein Notizheft im Mittelpunkt der Dokumentation, ein Heft, in dem die zahl­lo­sen Verbrechen und Vergewaltigungen auf­ge­lis­tet wur­den, die von Soldaten des benach­bar­ten Kongos in der Zentralafrikanischen Republik ver­übt wur­den. Dieses Heft, von einer Menschenrechtsaktivistin in lang­jäh­ri­gen, aus offen­sicht­li­chen Gründen auch gefähr­li­cher Arbeit ange­legt, dien­te als ent­schei­den­des Beweismittel in einem Prozess, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag statt fand und erst vor weni­gen Monaten zu Ende ging. Dabei wur­de Jean-Pierre Bemba wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Anstiftung zu Mord und Vergewaltigung ver­ur­teilt. Ein wenig spä­te Gerechtigkeit bedeu­te­te die­ses Urteil für die Frauen der Zentralafrikanischen Republik, die Specogna in ihrem Film in den Mittelpunkt stellt.Ausführlich lässt sie etwa Amzine zu Wort kom­men, die als Folge der Vergewaltigungen ein Kind zur Welt gebracht hat, dass zwar einer­seits gelieb­te Tochter ist, sie aber auch täg­lich an das erfah­re­ne Leid erinnert.
Über Jahre hin­weg besuch­te Specogna das Land, führ­te Gespräche, recher­chier­te, vor allem aber beob­ach­te­te sie scharf. Nicht nur eine Momentaufnahme ist Cahier Africain dadurch gewor­den, son­dern eine fast schon ele­gi­sche Dokumentation, in der die lang­fris­ti­gen Folgen der erlit­te­nen Verbrechen deut­lich wer­den. Aber auch die Muster eines Staates, der immer wie­der durch neue Bürgerkriege, neue Staatsstreiche, wech­seln­de Despoten ergrif­fen wird, die eine Stabilisierung der Lebensverhältnisse, ganz zu schwei­gen von einer Demokratisierung schwie­rig machen.
Geradezu klas­si­sche, bei­lei­be nicht nur afri­ka­ni­sche Muster zeich­net Specogna da etwa nach, wenn sie eine Anwältin por­trä­tiert, die sich anfangs noch vehe­ment für die Rechte der Opfer ein­setzt, sich als ihr Sprachrohr ver­steht, nur um dann bald einen frag­los gut bezahl­ten Posten in hoher Position anzu­neh­men – und fort­an für die Opfer uner­reich­bar zu sein. Das Eigeninteresse siegt auch hier über die Moral, eine Binsenweisheit, die Specogna nicht zu einer mora­li­sie­ren­den Tirade nutzt, son­dern ganz bei­läu­fig in den Fluss ihrer Jahrelangen Beobachtung ein­flie­ßen lässt. Gerade die­se Ausdauer, die inten­si­ve, genaue Beschäftigung mit ihrem Thema, mit dem Land und sei­nen Menschen, macht Cahier Africain zu solch einer her­aus­ra­gen­den Dokumentation.”  Michael Meyns – Programmkino.de

CH/D 2016, 119 Min., arab., frz., engl. OmU 
Regie & Buch:  Heidi Specogna
Kamera: Johann Feindt,
Schnitt: Kaya Inan