Wind River

Ein Film von Taylor Sheridan.

Panisch läuft eine jun­ge Frau bar­fuß durch die eisi­ge, nächt­li­che Schneelandschaft. In der Ödnis von Wyoming, dem länd­lich gepräg­ten Westen der USA, rennt sie um ihr Leben. Die bit­ter­kal­te Luft in ihren Lungen lässt die Äderchen plat­zen. Sie erstickt im Wind-River-Reservat der Native Americans an ihrem eige­nen Blut. Tage spä­ter fin­det Wildhüter Cory Lambert (Jeremy Renner) die Leiche der ver­ge­wal­tig­ten, geschän­de­ten 18jährigen Natalie Hanson (Kelsey Asbille). Der Fährtenleser ver­lor selbst vor eini­ger Zeit sei­ne 16-jäh­ri­ge Tochter. Sie gilt als ver­misst. Ihre Leiche wur­de nie gefun­den. Das schreck­li­che Trauma ver­folgt ihn.

Seine Ehe zer­brach an die­sem Schicksalsschlag. Seitdem lebt er getrennt von sei­ner Frau Wilma (Julia Jones), Angehörige eines der Stämme, die hier hoff­nungs­los leben müs­sen. Die trost­lo­se Gegend bie­tet nie­man­dem eine Zukunft. Dass eine uner­fah­re­ne FBI-Agentin (Elisabeth Olsen) aus Florida zur Untersuchung des Falls geschickt wird, zeigt Cory wel­chen Stellenwert die Regierung den Ermittlungen bei­misst. Doch Jane Benner, die frisch von Ausbildung kommt, bemerkt bald, dass sie ohne sei­ne Hilfe auf die­sem für sie frem­den Terrain nichts aus­rich­ten kann. Und für den ein­sa­men, umsich­ti­gen Jäger Lambert bie­tet sich so die Gelegenheit dem Verschwinden sei­ner Tochter auf die Spur zu kom­men. Ein düs­te­rer Racheprozess bis hin zum ner­ven­zer­rei­ßen­den Showdown beginnt.

Das unglei­che Ermittlerduo Jeremy Renner und die 25jährige Elizabeth Olsen stand bereits in den action­rei­chen „Avengers“-Filmen von Marvel gemein­sam vor der Kamera. In Taylor Sheridans ful­mi­nan­tem Regiedebüt ver­lei­hen die bei­den ihren Szenen, ohne Superheldenstatus, ernst­haf­tes Gewicht und dra­ma­tur­gi­sche Tiefe. An ihrer Seite agie­ren bemer­kens­wer­te Nebendarsteller, wie etwa Gil Birmingham als trau­ern­der Vater der Ermordeten. Als Angehöriger der Komantschen gehört er zur Riege ame­ri­ka­ni­scher Ureinwohner, die zur Glaubwürdigkeit des Films bei­tra­gen. Marlon Brando schick­te einst zu sei­ner Oscarverleihung die india­ni­sche Aktivistin „Sacheen Littlefeather“. Sie ver­lang­te in sei­nem Namen „mehr Respekt gegen­über den ame­ri­ka­ni­schen Ureinwohnern durch die Filmindustrie“. Und den beweist Sheridans kom­pro­miss­lo­ses Independent-Kino mit sei­nem auf­wüh­len­den Rachethriller aus dem größ­ten Reservat der USA ausnahmslos.

Nach lan­ger Zeit kratzt damit wie­der ein sehens­wer­ter Film am heroi­sie­ren­den Mythos der US-Pionierzeit und zeigt die Wunden der kolo­nia­len Freiheit. Wenn im Abspann dar­auf hin­ge­wie­sen wird, dass kei­ne Statistik über die ver­miss­ten Frauen aus den Reservaten exis­tiert, brand­markt er Rassismus und Sexismus glei­cher­ma­ßen. Die Ursachen des Elends in den Reservaten, ange­fan­gen von Alkoholismus, Drogen und Arbeitslosigkeit, lässt er anklin­gen. Landraub, Zwangsumsiedlung, Ausbeutung und gna­den­lo­se Unterdrückung der Kultur zei­gen ihre Fratze. Und die jüngs­te Geschichte passt ins Bild. Vergebens kämpf­ten Sioux mona­te­lang mit ande­ren Stämmen und Umweltschützern gegen eine Pipeline, die von North Dakota durch meh­re­re Bundesstaaten bis nach Illinois ver­lau­fen soll. Sie wehr­ten sich dage­gen, weil sie durch hei­li­ge Stätten auf dem Land ihrer Vorfahren führt. Zudem befürch­te­ten sie eine Verseuchung ihres Trinkwassers durch Lecks in der Leitung. Und tat­säch­lich sind unter­ir­disch bereits 800.000 Liter Öl ausgelaufen.

Luitgard Koch | programmkino.de
 


 
Credits:
USA 2017, 107 Min., engl. OmU

Regie: Taylor Sheridan
Drehbuch: Taylor Sheridan
Kamera: Ben Richardson
Schnitt: Gary Roach
Musik: Warren Ellis
mit: Jeremy Renner, Elizabeth Olsen, Gil Birmingham, Jon Bernthal
 
Termine:
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