Ein Film von Martin Farkas.
Die letzten Kriegstage in Demmin müssen ein apokalyptischer Alptraum gewesen sein. Hunderte von Demminern und Demminerinnen nahmen sich zwischen dem 30. April und dem 4. Mai 1945, teilweise noch bevor die russische Armee die Stadt erobert hatte, das Leben, oft ermordeten sie auch ihre Kinder. Über 600 Menschen wurden nach dem Abzug der russischen Armee in Massengräbern beigesetzt. Zahlreiche Frauen waren vergewaltigt worden, die Stadt zum größten Teil niedergebrannt und geplündert. Neonazi-Gruppen veranstalten jedes Jahr einen „Gedenkmarsch“ in Demmin, der von Gegendemonstranten und mehreren Hundertschaften der Polizei begleitet wird. Der Filmemacher Martin Farkas hat mit Zeitzeugen aus Demmin und mit jungen Demminern gesprochen. Die alten Leute beginnen nur zögerlich über das Erlebte zu reden, dabei haben sie alle Entsetzliches erlebt. Eltern zerrten ihre Kinder auf Dachböden und vergifteten sie, oder banden sie sich um den Leib und ertränkten sich mit ihnen in der Peene. Einige der interviewten Überlebenden sind um Haaresbreite entkommen, weil ältere Geschwister mit ihnen rechtzeitig flohen. Zu DDR-Zeiten konnte das Thema nicht angesprochen werden, heute nutzen es die Faschisten zur Propaganda. Die alten Demminer schütteln verzweifelt den Kopf: „Jetzt fangen die schon wieder an.“ In der von sozialistischen Stadtplanern und Nachwende-Investoren seelenlos wieder aufgebauten Stadt spricht Martin Farkas auch mit einem jungen Neonazi-Paar, das sich darüber aufregt, als Nazis „abgestempelt“ zu werden, mit alltäglichen Rechtsradikalen wie einem Bäcker, der sich sehr vorsieht, was er vor der Kamera sagt, und mit einem Möbelrestaurateur, der gern für sich bleibt, die Nazis verabscheut, und eine persönliche Überlebensstrategie in dieser Gesellschaft entwickelt hat. ÜBER LEBEN IN DEMMIN ist ein Film über das Schweigen, das neue Dämonen züchtet, über alte und neue Alpträume.
Tom Dorow | Indiekino
Credits:
Deutschland 2017, 90 min
Regie: Martin Farkas
Drehbuch: Jens Stubenrauch, Petra Felber, Barbara Denz, Martin Farkas
Kamera: Roman Schauerte
Schnitt: Jörg Hauschild, Catrin Vogt
Musik: Mathis Nitschke
Termine:
- noch keine oder keine mehr