Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes

Ein Film von Julian Radlmaier. Am 14.6. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch mit Julian Radlmaier.

Auf den Hund gekom­men – das heißt hier tat­säch­lich – in Hundegestalt ver­wan­delt, ist Nachwuchsregisseur Julian (gespielt von Regisseur Julian Radlmaier). Die Geschichte, die ihn dort­hin geführt hat, erzählt er nun im Rückblick. Nach miss­glück­ten Förderansuchen, und ohne all zu viel Plan macht sich Julian, von der staat­li­chen Sozialbürokratie ange­trie­ben auf zum Ernteeinsatz in eine bran­den­bur­gi­sche Apfelplantage. Einer der Kunststudentinnen, denen er in der Gemäldegalerie nach­s­tiehlt, erzählt er es hand­le sich dabei um die Recherche zu einem kom­mu­nis­ti­schen Märchenfilm. Diese nimmt nach eini­gem Zögern sei­ne Anmache für bare Münze und beglei­tet ihn in die Provinz. Während Julians in sei­nen libi­di­nö­sen Begehrlichkeiten wie­der­holt Schiffbruch erlei­det, ent­wi­ckelt Camille zuneh­mend revo­lu­tio­nä­res Begehren, dass Julians Avancen eher noch ver­kom­pli­ziert. Dazwischen aller­lei Geschichten um die illus­tren Malocher*innen der Plantage, von ent­las­se­nen Museumswärtern und geor­gi­schen Anarchistinnen zu jeder Illusion gründ­lich ent­le­dig­ter Zonenkindern, bis sich die Zustände in der unter stren­gem Akkordregime ste­hen­den Plantage zuspit­zen und ein Wiedergänger Franz von Assisis uner­hör­te und ver­hei­ßungs­vol­le Nachrichten überbringt.
In Radlmaiers, (nicht nur film­ge­schicht­lich) anspie­lungs­rei­chem Film, nach den bei­den mit­tel­lan­gen „Ein Gespenst geht um in Europa” und „Ein pro­le­ta­ri­sches Wintermärchen” sein ers­ter lan­ger Spielfilm, ist die oft umwer­fen­de Komik nicht da, um das poli­ti­sche Begehren iro­nisch auf­zu­he­ben. Beides ist Teil der refle­xi­ven Arbeit an einer Form, in der sich von Möglichkeiten jen­seits der Herrschenden Verhältnisse erzäh­len läßt, zu Zeiten in denen, nach­dem alle Versprechen schon­mal geschei­tert sind, die Lächerlichkeit radi­ka­ler Entwürfe ihre unab­schüt­tel­ba­re Erscheinungsform ist.

Der bes­te deut­sche Film der dies­jäh­ri­gen Berlinale lief nicht etwa im gro­ßen Wettbewerb, son­dern in der Sektion Perspektive Deutsches Kino, wo der jun­ge Filmemacher Julian Radlmair sei­nen neu­en Film „Selbstkritik eines bür­ger­li­chen Hundes“ vor­stell­te. Der ist mit sei­nem skur­ri­len, selbst­iro­ni­schen Humor zwar ein Nischenprodukt, aber ein beson­ders ori­gi­nel­les.” programmkino.de

Deutschland 2017,  99 Min.
Regie, Buch, Schnitt: Julian Radlmaier
Kamera: Markus Koob
Mit:
Julian Radlmaier
Deragh Campbell
Kyung-Taek Lie
Beniamin Forti
Ilia Korkashvili
Bruno Derksen