Der 16-jährige Kaito kann die Trennung seiner Eltern nur schwer verarbeiten. Mit Widerwillen und Unverständnis beobachtet er, wie sich seine Mutter mit anderen Männern trifft. Er wohnt gemeinsam mit ihr auf der japanischen Insel Amami-Ōshima, doch weder die atemberaubende Natur, noch das Meer vermögen ihn abzulenken. Auf andere Gedanken bringt ihn nur seine Freundin Kyoko, deren Mutter, die die Schamanin des Dorfes ist, unter einem Tumor leidet und nur noch wenige Monate zu leben hat.
Und so haben die beiden Teenager ihre ganz eigenen, persönlichen Schmerzmomente zu verkraften, während sie sich immer weiter einander annähern und die erste große Liebe in ihrer ganzen Vielfalt und Kraft erleben – so kraftvoll wie die tosenden Wellen des Ozeans, neben dem sie leben.
Persönliche Schicksalsschläge spielen seit jeher eine zentrale Rolle in den Filmen von Regisseurin Naomi Kawase, so. z.B. in ihrem viel beachteten Familien-Drama „Shara“ oder auch in „Der Wald der Trauer“, mit dem sie 2007 den großen Preis der Jury in Cannes gewinnen konnte. Mit „Still the water“, war Kawase wieder im Wettbewerb an der Côte d’Azur vertreten. Ihr naturverbundenes Drama bezeichnet die japanische Filmemacherin als ihren bis heute wichtigsten und bedeutendsten Film.
Die beiden Hauptfiguren – gefühlvoll und lebensnah dargestellt von Nijiro Murakami und Jun Yoshinaga – sind direkt mit einschneidenden, privaten Tragödien konfrontiert. Nur wählen sie einen vollkommen unterschiedlichen, individuellen Umgang damit. Während die offene und extrovertierte Kyoko die Konfrontation mit dem Thema unmittelbar sucht und ihre Mutter in einer starken, intensiven Szene des Films ganz direkt dazu befragt, zieht sich Kaito eher in sich zurück. Er ist der nachdenklichere, emotionalere der Beiden, der die Trennung seiner Eltern nicht verkraften und schon gar nicht verstehen kann.
Die Natur am Handlungsort spielt die dritte Hauptrolle des Films. Immer wieder unterbricht Kawase die Handlung mit Bildern von einnehmender Schönheit, die von der flirrenden Landschaft und Umgebung der Amami-Ōshima-Insel zeugen: Etwa, wenn sie die tosenden, kraftvollen Wellen und die beeindruckende, einschüchternde Größe des Pazifik – des größten und tiefsten Ozeans der Welt – ins Bild rückt.
„Ich wünsche mir, dass den Zuschauern des Films klar wird, dass wir Menschen nicht der Nabel der Welt sind. Wir sind nur ein kleiner Teil eines großen Kreislaufes. Ich wollte eine Geschichte erschaffen, deren Konklusion ist, dass dieser Kreislauf, in dem wir alle leben, von göttlicher Natur ist.“ Naomi Kawase
Mit „Still the water“ kommt endlich ein Film von Naomi Kawase regulär in die hiesigen Kinos. Eine seltene Gelegenheit.
OT: Futatsume no mado
Frankreich/Japan/Spanien 2014, 118 Min., jap. OmU
Regie: Naomi Kawase
Drehbuch: Naomi Kawase
Kamera: Yutaka Yamazaki
Schnitt: Tina Baz
Musik: Hasiken
Darsteller: Nijirô Murakami,
Jun Yoshinaga, Miyuki Matsuda