Bergman Island

ein Film von Mia Hansen-Løve. 

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Mit der klei­nen Autofähre, die vom grö­ße­ren Gotland auf das win­zi­ge Fårö führt set­zen sie über: Chris (Vicki Krieps) und Tony (Tim Roth), Filmemacher, Paar und Eltern einer Tochter, die bei den Großeltern geblie­ben ist. Denn die Eltern wol­len auf Bergmans Insel den Spuren des legen­dä­ren Regisseurs fol­gen, Inspiration fin­den und an neu­en Projekten arbei­ten. Doch dass sie aus­ge­rech­net im Bett schla­fen sol­len, in dem Bergman einst sei­nen legen­dä­ren Film „Szenen einer Ehe“ gedreht hat, der angeb­lich tau­sen­de Beziehungen been­de­te, stößt gera­de der deut­lich jün­ge­ren Chris übel auf.

Während ihr Mann Tony Inspiration spürt, fühlt sich Chris durch die Präsenz Bergmans ein­ge­schüch­tert, wäh­rend Tony pro­blem­los schreibt und im Bergman-Museum sei­ne Filme zeigt, stromert Chris ziel­los über die Insel und denkt mehr über sich und ihre Beziehung nach, als über ihren Film. Doch ist das nicht das­sel­be? Bald beginnt sie Tony von ihrem Projekt zu erzäh­len, der von der Filmemacherin Amy (Mia Wasikowska) han­delt, die für eine Hochzeit nach Fårö kommt und dort ihre Jugendliebe Joseph (Anders Danielsen Lie) wie­der trifft. Sie ver­brin­gen die Nacht mit­ein­an­der, doch es gibt kei­ne Zukunft für das Paar. Nicht zuletzt, weil Amy inzwi­schen ein Kind mit einem ande­ren Mann hat.

2007 starb Ingmar Bergman auf Fårö und ist auf dem klei­nen Kirchhof der Insel begra­ben. Sein ehe­ma­li­ges Wohnhaus bie­tet inzwi­schen Künstlern an, Zeit auf der Insel zu ver­brin­gen und an Projekten zu arbei­ten. Hier ver­brach­ten auch Mia Hansen-Løve und ihr lang­jäh­ri­ger Lebensgefährte, der Regisseur Olivier Assayas Zeit, arbei­te­ten so wie die Figuren in „Bergman Island“ an Projekten. Unzweifelhaft ist Hansen-Løves Film also auto­bio­gra­phisch, so wie die meis­ten ihrer bis­he­ri­gen Filme mehr oder weni­ger von Menschen aus ihrem nächs­ten Umfeld inspi­riert waren: „Eden“ von ihrem Bruder, „Alles was kommt“ von ihrer Mutter. Doch im Gegensatz zu vie­len Filmemachern, die glau­ben, dass es aus­reicht vom eige­nen Leben zu erzäh­len, um einen inter­es­san­ten Film zu dre­hen, ist Hansen-Løve bewusst, dass das nicht genug ist: Das per­sön­li­che Erlebnis muss zu einer uni­ver­sel­len Geschichte über­höht wer­den, um Allgemeingültigkeit zu erlangen.

Und so erzählt Mia Hansen-Løve zwar auf ver­schach­tel­te Weise von zwei Filmemacherinnen, die ohne Frage auch Teile ihres eige­nen Wesens, ihrer Gedanken und Überlegungen ver­kör­pern, die aber vor allem von uni­ver­sel­len Themen erzäh­len. Nicht zuletzt von der Vereinbarkeit von Familie und Karriere, dem gesell­schaft­li­chen Druck, sich zu ent­schei­den. Ein Mann wie Bergman – der heut­zu­ta­ge ohne Frage als alter, wei­ßer Mann bezeich­net wer­den wür­de – hat­te es da ein­fa­cher: Neun Kinder von sechs Frauen hat­te er, die bis ins Erwachsenenalter fast voll­stän­dig von den Frauen oder Dienstmädchen auf­ge­zo­gen wur­den. Nur so hat­te der Workaholic die Zeit, sich ganz sei­ner Kunst hin­zu­ge­ben, dut­zen­de Filme zu dre­hen und qua­si neben­bei noch am Theater zu inszenieren.

Auch Mia Hansen-Løve hat inzwi­schen ein Kind mit Assayas, von dem sie seit eini­gen Jahren getrennt ist, auch ihre Surrogate Chris und Amy befin­den sich in ähn­li­chen Situationen, auf die sie jedoch ganz unter­schied­lich reagie­ren. Wie sehr „Bergman Island“ auto­bio­gra­phisch ist, dar­über lässt sich reich­lich spe­ku­lie­ren. Vor allem aber ist Hansen-Løve ein wun­der­bar rei­cher Film über das Wesen einer (bzw. meh­re­rer) Künstlerinnen gelun­gen, die in einer oft nur schein­bar frei­en Welt nach sich selbst und ihrem Gleichgewicht suchen. Dass „Bergman Island“ zudem eine leich­te, ver­spiel­te Hommage an einen der Säulenheiligen des Kinos ist, macht ihn nur noch vielschichtiger.

Michael Meyns | programmkino.de

Credits:

FR/BE/SW/DE/MX 2021, 112 Min., engl. OmU
Regie & Buch: Mia Hansen-Løve
Kamera: Denis Lenoir
Schnitt: Marion Monnier
mit: Vicky Krieps, Tim Roth, Mia Wasikowska, Anders Danielsen Lie, Melinda Kinnaman, Joel Spira


Trailer:
Bergman Island – Official Trailer | HD | IFC Films
im Kino mit deut­schen Untertiteln
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