Ein Film von Dominik Graf und Felix von Boehm. (Filmgespräch mit Co-Autor Constantin Lieb am 3.9.)
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Der Schriftsteller Anatole Reignier folgt in seinem Buch Jeder schreibt für sich allein den Schicksalen und Entscheidungen von über 60 Kolleg:innen von 1933 bis 1945 in Deutschland.
Für ihren gleichnamigen Film suchten sich Dominik Graf und Felix von Böhm einige, meist bekanntere Persönlichkeiten heraus, die für die unterschiedlichen Strategien stehen, mit dem totalitären System umzugehen. Innere Emigration ist ein Begriff, der gerne verwendet wird, wenn es z.B. um Hans Fallada oder Frank Thiess geht, andere, wie Thomas Mann, emigrierten tatsächlich. Gottfried Benn folgte begeistert der „neuen Zeit“, es wurde offen oder heimlich (Erich Kästner) paktiert, profitiert, oder sich versteckt. „Sie haben sich alle gewunden und durchgewurschtelt in verschiedenen Graustufen von Abhängigkeit und Distanzierung.” so Graf. Jochen Klepper sah 1942 allerdings keinen anderen Ausweg mehr als den Suizid.
Lässt sich Kunst von den Personen trennen, die sie erschaffen haben? Die große Interesse der Regisseure für das hochspannende Thema überträgt sich beim Schauen. Auch der Rückblick heutiger Autor:innen und Kunstschaffenden bietet Erhellendes, arbeitet der Film schließlich gegen die Selbstgerechtigkeit der Spätgeborenen und möchte die bei überall vorhandenen Ambivalenzen ansprechen.
Ob das Beispiel der RAF für das Weiterleben einer systemischen Empathielosigkeit nicht unbewusst einer Relativierung der vor nicht allzu langer Zeit als Singularität angesehenen Naziverbrechen Vorschub leistet, und ob die kurz eingesprochene These, dass der Faschismus einer virulenten Krankheit ähnelt, einer anthropologischen Konstante sozusagen, nicht allzu psychologisch und unpolitisch daherkommt, wie es das Ende nahelegt, sei dahingestellt. Aber darüber kann ja geredet werden.
Gerade für Künstler:innen hat die Frage, die Gabriele von Arnim zu Beginn des Filmes stellt, nichts von ihrer Aktualität verloren, angesichts der vielen Möglichkeiten, korrumpiert, verführt oder in Furcht versetzt zu werden: „Wie sicher kann ein Mensch sich seiner selbst sein?“
GOTTFRIED BENN, KLAUS MANN, ERICH KÄSTNER, HANS FALLADA, JOCHEN KLEPPER, INA SEIDEL, HANNS JOHST, WILL VESPER, BERNWARD VESPER
(Filmgespräch mit Co-Autor Constantin Lieb am 3.9.)




Credits:
DE 2023, 169 Min., deutsche Fassung (engl. UT auf Nachfrage)
Regie: Dominik Graf, Felix von Boehm
Kamera: Florian Mag, Markus Schindler, Niclas Reed Middleton, Pierre Nativel, Sven Jakob-Engelmann
Schnitt: Claudia Wolscht
mit Anatol Regnier, Florian Illies, Géraldine Mercier, Albert von Schirnding, Christoph Stölzl, Henrike Stolze, Günter Rohrbach, Gabriele von Arnim, Julia Voss, Willy Kristen, Wendelin Neubert, Carlo Paulus, Simon Strauß, Clemens von Lucius, Lena Winter
Trailer:
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