ein Film von Sebastian Meise.
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1968. Zwei Jahre Zuchthaus bekommt Hans (Franz Rogowski) aufgebrummt, nachdem er beim Sex mit einem Mann auf einer öffentlichen Toilette gefilmt wurde. Nicht zum ersten Mal, denn Hans ist ein sturer Bock und will sich von Nichts und Niemandem sagen wie er zu leben und schon gar nicht wen er zu lieben hat. Im Bau begegnet er Viktor (Georg Friedrich), nicht zum ersten Mal wie sich bald zeigt. 1945 waren die beiden Männer bereits Zellengenossen, Viktor am Anfang einer langen Strafe wegen eines aus Eifersucht begangenen Totschlags und Hans weil er Männer liebt. So homophob sich Viktor anfangs gezeigt hatte: Das Hans direkt aus einem Konzentrationslager in ein Gefängnis der Alliierten überstellt wurde, das schockiert ihn doch. Eine erste Berührung, ein erster intimer Moment geschieht, als Viktor Hans dessen in den Arm gestochene Nummer mit einem Tattoo überdeckt.
Die Jahre ziehen ins Land, während Viktor immer einsitzt, bewegt sich Hans fast wie in einer Drehtür zwischen Freiheit und Knast, weiß bald weder drinnen noch draußen etwas mit sich anzufangen. Nichts scheint sich zu ändern, das Gefängnis ist schon 1945 ranzig und hat offenbar bis Ende der 60er Jahre keinen Anstrich erhalten. Was sich auch kaum ändert sind die Antipathien, denen sich schwule Männer ausgesetzt sehen, die Strafen mit denen die Mehrheits-Gesellschaft die ihnen unliebsamen Elemente wegsperren will.
Erst 1994 wurde der §175 aus den Gesetzen gestrichen, auch wenn er damals schon länger nicht zur Anwendung kam. Als Der Spiegel im Mai 1969 über die Aufweichung des §175 titelte und fragte: „Das Gesetz fällt – bleibt die Ächtung?“ war solche eine öffentliche Thematisierung von Homosexualität noch alles andere als selbstverständlich. Dass es gerade für Menschen, die Jahrzehnte im geheimen Leben mussten, die ihre Sexualität versteckten oder gar unterdrückten keineswegs einfach war, quasi von einem Tag auf den anderen umzuschalten, nun offen zu leben, davon erzählt „Große Freiheit.“
Ein wenig konstruiert mutet der lange Zeitraum der Geschichte zwar an, geboren aus dem Wunsch, den Übergang vom Dritten Reich zur Bundesrepublik ebenso zu erzählen, wie die Entkriminalisierung von Homosexualität im Jahre 1969. Aber das Konstrukt funktioniert, gerade auch weil Sebastian Meise in seinem zweiten Spielfilm die Mauern des Gefängnisses nur ganz am Ende verlässt, er ansonsten immer in den Zellen und Gängen bleibt, die sich über die Jahrzehnte kaum ändern. Auch die Kleidung der Gefangenen bleibt gleich und selbst Viktor und Hans altern zwar, doch fast unmerklich, der dezente Einsatz von der jeweiligen Zeit entsprechenden Haaren und Frisuren deutet auch hier einen Stillstand an, der am Ende tragisch wird.
So sehr sind diese beiden Männer in ihren Rollen verharrt, Rollen, in die sie vom System gezwungen wurden, dass sie wirkliche Freiheit kaum ertragen können. In manchen Momenten erinnert das an Texte von Jean Genet, an große Gefängnis-Filme, in denen die ganz eigene Subkultur dieses Ort lebendig wird. Nicht zuletzt dank des herausragenden Darstellerduos Franz Rogowski und Georg Friedrich, die in den beengten Zellen eine ganz besondere, sich über lange Jahre entwickelnde Liebesgeschichte zum Leben erwecken.
Michael Meyns | programmkino.de
Credits:
Deutschland/Österreich 2021, 116 Min.
Regie: Sebastian Meise
Kamera: Crystel Fournier
Schnitt: Joana Scrinzi
Buch: Thomas Reider & Sebastian Meise
mit: Franz Rogowski, Georg Friedrich, Anton von Lucke, Thomas Prenn
Trailer:
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