Archiv der Kategorie: jetzt

Stille Beobachter

Ein Film von Eliza Petkova. 

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Das Dorf Pirin liegt am „äußers­ten Rand Bulgariens“ und ist Schauplatz einer Trilogie, deren zwei­ter Teil, Mayor Shephard Widow Dragon (2021), wäh­rend „ach­tung Berlin“ schon bei uns zu sehen war. Im letz­ten Teil offen­ba­ren sechs Haustiere die dunk­le Seite mensch­li­cher Ängste und des Aberglauben: eine Katze, ein Hund, ein Esel, eine Ziege, ein Pferd, ein Lamm. Stille Beobachter ist ein fil­misch äußerst ori­gi­nel­ler Film über ima­gi­nä­re Welten in geschlos­se­nen Gemeinschaften, irgend­wo zwi­schen Dokumentarfilm und Folk-Horror – alles aus der stil­len Perspektive der Tiere betrach­tet.
Eine Witwe ver­mu­tet die Seele des ver­stor­be­nen Mannes in ihrer Katze Matsa, eben­so wie der Esel Kirka der ver­zau­ber­te Sohn sei­nes Halters in ande­rer Gestalt sein könn­te. Die Besitzer müs­sen sehr auf die­se Tiere auf­pas­sen, da ande­re im Dorf in ihnen gefähr­li­che Vampire ver­mu­ten, wie alle Tiere ohne­hin kein leich­tes Leben haben und stets durch die Menschen gefähr­det sind.
„Direkt in anfäng­li­chen Close-Ups zei­gen Teile von Tiergesichtern die sechs Stars von Silent Obser­vers. Ziegennase, Eselsauge, Hundeschnauze, Pferdenüstern, Katzenöhrchen und Schafwolle wer­den nach­ein­an­der in einem bewusst ver­klei­ner­ten, und damit fokus­sier­ten Format prä­sen­tiert, beglei­tet von tra­di­tio­nel­lem Frauengesang, die Dorfszenerie getüncht in inten­si­ves Blau-Orange. Von vornher­ein expe­ri­men­tell, geben die ers­ten Minuten den ästhe­ti­schen Ton an, der in die­sem Film bis zuletzt gehal­ten wird – medi­ta­tiv, natür­lich, mehr auf Stimmung bedacht als auf ein kohä­ren­tes Narrativ. Ei­nen strin­gen­ten Faden bil­den jedoch die bemerk­ba­ren Persönlichkeiten der genann­ten Tiere, der Umgang der Dorfbewohnenden mit ihnen sowie die teils herz­li­che, teils beklem­men­de Atmosphäre in Pirin.“
Elias Schäfer | film-rezensionen.de

STILLE

Credits:

DE/BG 2024, 95 Min., bul­ga­ri­sche OmU
Regie: Eliza Petkova
Kamera: Constanze Schmitt
Schnitt: Eliza Petkova, Hannes Marget

Audiodeskriptionen, Untertitel und Hörverstärkung mit der Greta App

Trailer:
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Zweitland

Ein Film von Michael Kofler. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Südtirol ken­nen die meis­ten als gro­ßes und traum­haf­tes Skigebiet, und manch­mal wun­dert sich auch jemand, dass neben Italienisch Deutsch, oder sogar noch eine völ­lig unbe­kann­te Sprache gespro­chen wird. Das Gebiet hat eine beweg­te Geschichte, und eines der letz­ten hier­zu­lan­de wenig bekann­ten, span­nungs­rei­chen Kapitel beleuch­tet der selbst aus Südtirol stam­men­de Michael Kofler in sei­nem Spielfilmdebüt Zweitland auf erhel­lend-inten­si­ve Weise.
Die Handlung setzt 1961 ein. Der jun­ge Bauernsohn Paul will der Perspektivlosigkeit sei­nes Dorfes ent­kom­men und Malerei stu­die­ren, sein älte­rer Bruder Anton schließt sich dem kom­pro­miss­lo­sen Kampf der Separatisten an. Er flieht und lässt Hof und Familie zurück, nach­dem er als einer der Attentäter ent­tarnt wird. Widerwillig ver­schiebt Paul sei­ne eige­nen Pläne, um Antons Frau Anna und ihren klei­nen Sohn zu unter­stüt­zen. Während die Lage eska­liert und die ita­lie­ni­sche Polizei hart durch­greift, beginnt Anna sich zuneh­mend gegen die patri­ar­cha­len Strukturen ihres Umfelds zu weh­ren. Paul hin­ge­gen muss sich ent­schei­den – zwi­schen fami­liä­rer Loyalität und per­sön­li­cher Selbstverwirklichung.
Hintergrund: Eine Reihe von Bombenanschlägen erschüt­tert die Provinz Anfang der 1960-er Jahre. Die von der faschis­ti­schen Mussolini-Regierung vor­an­ge­trie­be­ne Italienisierung der ehe­mals öster­rei­chi­schen Provinz wur­de auch nach dem Krieg fort­ge­führt. Aufgrund die­ser poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Marginalisierung der deutsch- und ladi­nisch spre­chen­den Gruppe grün­de­te sich der zuneh­mend deutsch­na­tio­nal gesinn­te „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS), der mit Gewalt die Trennung von Italien durch­set­zen woll­te. Die Meinung zu den Separatisten teil­te Gesellschaft Südtirols, griff auch zer­stö­re­risch im Leben gan­zer Familien ein.

Gewalt erzeugt neue Gewalt, eine gefähr­li­che Spirale, die nur schwer auf­zu­hal­ten ist – das betont Kofler mit den letz­ten, nie­der­schmet­tern­den Bildern unmiss­ver­ständ­lich.“ Christopher Diekhaus | programmkino.de

Credits:

DE/IT/AT 2025, 112 Min.,
Regie & Schnitt: Michael Kofler
Kamera:
Felix Wiedemann
Schnitt: Florian Miosge
mit: Thomas Prenn, Aenne Schwarz, Laurence Rupp, Francesco Acquaroli

Audiodeskriptionen, Untertitel und Hörverstärkung mit der Greta App

Trailer:
Zweitland | Trailer Deutsch HD | Ab 04.12. im Kino
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Sentimental Value

Ein Film von Joachim Trier. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nora ist fas­sungs­los, als ihr Vater Gustav bei der Beerdigung ihrer Mutter auf­taucht, schließ­lich hat er sei­ne Familie vor vie­len Jahren ver­las­sen. Immer schon war dem einst gefei­er­ten Filmregisseur sei­ne Arbeit wich­ti­ger als sei­ne Töchter gewe­sen, was Nora ihm nicht ver­zei­hen kann. Jetzt kommt er mit einem Script, in dem er ihr, einer Theaterschauspielerin mit zu gro­ßem Lampenfieber, die Rolle sei­ner Mutter auf den Leib geschrie­ben hat. Nora lehnt das offen­sicht­li­che Versöhnungsangebot ent­schie­den ab. Gustav enga­giert dar­auf­hin statt­des­sen den Hollywoodstar Rachel, und beginnt, den Film auf dem alten Familienwohnsitz, wo Nora und ihre Schwester Agnes auf­wuch­sen, mit dem Dreharbeiten – kaum ver­wun­der­lich, dass alte Dynamiken wie­der ins Rollen gera­ten.
„Ich glau­be, wir woll­ten etwas über Versöhnung, Familie und Zeit machen“, erklär­te Trier auf der Pressekonferenz in Cannes. „Wir befin­den uns jetzt mit­ten im Leben und haben einen grö­ße­ren Überblick über die Lebensspanne eines Menschen. Wir erken­nen, dass hin­ter jedem kom­pli­zier­ten Elternteil oft ein ver­letz­tes Kind steckt. Und wir haben erkannt, dass Gustav Borg, auch wenn er ein kom­pli­zier­ter Vater ist, als Künstler über zwei Ausdrucksweisen ver­fügt. Wir woll­ten über die Verletzlichkeit der Kommunikation spre­chen, über die Unfähigkeit, in einer Familie zu kom­mu­ni­zie­ren, und dar­über, ob Kunst dabei eine Rolle spie­len kann.“
„Gleich zu Beginn von Sentimental Value wird ein Zuhause nicht über sei­ne Architektur beschrie­ben, son­dern über die Erinnerung. Eine Stimme erin­nert sich an Wände, die einst warm waren, vol­ler Leben – erfüllt von Stimmen, Licht, Streit, Freude. Jetzt ist die Luft still. Die Stimmen sind ver­schwun­den. Und das Haus, einst fast eine Figur für sich, trägt nur noch Echos in sich. In die­sen stil­len Überresten der Vergangenheit legt Joachim Trier den emo­tio­na­len Grundstein für sei­nen bis­her reifs­ten und zärt­lichs­ten Film.“ Mia Pflüger | kino-zeit

Credits:

Affeksjonsverdi
DK/DE/FR/NO 2025, 132 Min., Norwegisch mit deut­schen Untertiteln
Regie: Joachim Trier
Kamera: Kasper Tuxen
Schnitt: Olivier Bugge Coutté
mit: Renate Reinsve, Stellan Skarsgård, Elle Fanning, Inga Ibsdotter Lilleaas

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SEHNSUCHT IN SANGERHAUSEN

Sehnsucht in Sangerhausen

Ein Film von Julian Radlmaier. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein Ort im Harz im Wechsel der Zeiten: Sensibel und manch­mal absurd zuge­spitzt bringt Julian Radlmaier (Blutsauger, Selbstkritik eines bür­ger­li­chen Hundes) in sei­nem neu­en Film Menschen zusam­men, die in der öffent­li­chen Debatte oft gegen­ein­an­der aus­ge­spielt wer­den.
Ursula lebt in Sangerhausen von zwei Jobs im Niedriglohnsektor. Die Iranerin Neda war­tet auf und kämpft um einen dau­er­haf­ten Aufenthaltssta­tus. Als ers­te aber ler­nen wir Lotte ken­nen, die vor 230 Jahren als Dienstmagd u.a. den Nachttopf von Novalis lee­ren muss­te. Allen drei Frauen ist ihr Status als Verliererinnen in die­ser Gesellschaft bewusst. Jede sucht sich ihren Ausweg auf ihre Weise. Lotte will nach Frankreich, als sie von der dor­ti­gen Revolution hört, Ursula ver­liebt sich hoff­nungs­los in eine Künstlerin aus der Stadt, die einer ande­ren Klasse ange­hört, und Neda ver­sucht, sich als Influencerin mit Tipps über bil­li­ge Urlaubsziele über Wasser zu hal­ten, was sie nach Sangerhausen führt. Zusammen mit Sung-Nam, einem älte­ren Mann korea­ni­scher Herkunft, und des­sen Wahlenkel Buk gera­ten Ursula und Neda auf Geisterjagd in die nahe Barbarossa-Höhle, in der Lotte einst ver­schwand.
“… kann roman­ti­sche Sehnsucht einen Ausweg aus dem tris­ten Alltag bie­ten? In sei­ner Komödie ver­bin­det Radlmaier sehr lako­nisch sei­ne stets gegen­wär­ti­ge Kapitalismuskritik mit Ikonen der deut­schen Romantik: der Blauen Blume des Dichters Novalis (Friedrich von Hardenberg) sowie dem Kyffhäuser mit sei­ner Barbarossa-Legende. Der Geist, der den Protagonistinnen Ursula und Neda statt­des­sen erscheint, hat aller­dings einen eher prag­ma­ti­schen Ratschlag parat: „Hört auf zu jam­mern!“
(Lars Penning | Viennale)

Credits:

DE 2025, 90 Min., Deutsch mit eng­li­schen Untertiteln
Regie & Schnitt: Julian Radlmaier
Kamera: Faraz Fesharaki
mit: Clara Schwinning, Maral Keshavarz, Henriette Confurius, Paula Schindler, Ghazal Shojaei, Kyung-Taek Lie, Buksori Lie, u.a.

Audiodeskriptionen, Untertitel und Hörverstärkung mit der Greta App

Trailer:
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