Tommaso und der Tanz der Geister

Ein Film von Abel Ferrara.

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Tommaso (Willem Dafoe) ist ame­ri­ka­ni­scher Regisseur, der seit län­ge­rem in Rom lebt. Zusammen mit sei­ner deut­lich jün­ge­ren Frau Nikki (Cristina Chiriac) und der gemein­sa­men klei­nen Tochter Deedee (Anna Ferrara) lebt er in einem geräu­mi­gen Apartment in der ewi­gen Stadt und ver­sucht, Projekte voranzubringen.

Ein auf­wän­di­ger Film, der in den Eiswüsten Sibiriens gedreht wer­den soll, macht ihm zu schaf­fen, die Geldgeber stel­len sich quer, doch dies ist nicht Tomasso ein­zi­ges Problem. Das geord­ne­te Leben mit Frau und Kind, die täg­li­chen, sich stets wie­der­ho­len­den Besorgungen lang­wei­len ihn zuneh­mend, die Routine des Familienlebens, das er nie anstreb­te, das ihm jedoch dabei gehol­fen hat, sei­ne Heroinsucht zu überwinden.

Fast täg­lich nimmt Tommaso den­noch an Sitzungen teil, spricht über sei­ne Dämonen und hört die Geschichten ande­rer Suchtkranker. Eigentlich hat­te er geglaubt, sei­ne Sucht unter Kontrolle zu haben, doch immer häu­fi­ger scheint er sich und sei­ne Wahrnehmung der Realität nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Man muss nicht unbe­dingt wis­sen, dass Abel Ferrara seit Jahren selbst in Rom lebt, dass er mit sei­ner Hauptdarstellerin Cristina Chriac ver­hei­ra­tet ist oder dass die Wohnung, in der Tomasso mit sei­ner Familie lebt, tat­säch­lich Ferraras Wohnung ist. Unzweifelhaft ist Abel Ferraras ers­ter Spielfilm seit 2014 also auto­bio­gra­phisch, spielt Ferraras guter Freund Willem Dafoe hier also eine Variante des Regisseurs, doch wenn das alles wäre, wäre „Tomasso“ nur halb so interessant.

Manche Szenen muten zwar wie eine all­zu selbst­ver­lieb­te Nabelschau an; dass Tommaso im Zuge der Geschichte immer wie­der schö­nen, nack­ten, meist sehr wil­li­gen Frauen begeg­net, lässt den Film des inzwi­schen 68jährigen Ferraras arg alt­mo­disch wir­ken. Fast immer gelingt es Ferrara und Dafoe jedoch, ein ein­dring­li­ches Porträt eines Künstlers zu ent­wi­ckeln, der glaub­te, sei­nen Dämonen ent­kom­men zu sein und doch immer wie­der aufs Neue von ihnen ein­ge­holt wird.

Gefilmt von Werner Herzogs Stammkameramann Peter Zeitlinger, der viel Erfahrung mit schnel­lem Arbeiten hat, mit dem Einfangen von glei­cher­ma­ßen authen­ti­schen, wie sti­li­sier­ten Bildern, bewegt sich „Tommaso“ auf einem frucht­ba­ren Grat zwi­schen Fakt und Fiktion. Wenn Tomassos Dafoe etwa bei den Sitzungen der Suchtkranken die Geschichten ande­rer Menschen hört, dann sind das nicht etwa fik­ti­ve Geschichten, son­dern tat­säch­li­che Erlebnisse. Wenn Tomasso jun­gen Schauspieler bei einem Workshop Ratschläge gibt, dann hört man das, was auch Dafoe stets über sei­nen schau­spie­le­ri­schen Ansatz sagt. Und wenn Ferrara sei­nen Tomasso am Ende des Films mit­ten in Rom ans Kreuz hängt, muss man ange­sichts der Präsenz von Dafoe unwei­ger­lich an des­sen berühm­tes­ten Film „Die letz­te Versuchung Christi“ denken.

Aus all die­sen Versatzstücken, Zitaten und Referenzen, dem per­sön­li­chen Wissen um den krea­ti­ven Prozess, die Extreme, die er braucht, die Routine, die ihn lähmt, den all­täg­li­chen Beobachtungen und zufäl­li­gen Begegnungen, die in die fil­mi­sche Geschichte ein­ge­fügt wur­den, for­men Ferrara und Dafoe das ein­dring­li­che Porträt eines Künstlers, der mit vie­lem kämpft, vor allem jedoch sich selbst.

Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

US/IT/GB 2019, 119 Min., engl. OmU
Regie & Buch: Abel Ferrara
Kamera: Peter Zeitlinger
Schnitt: Fabio Nunziata 
mit: Willem Dafoe, Cristina Chiriac, Anna Ferrara, Kim Rossi Stewart

Termine:

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Trailer: