Sechs Tage unter Strom – Unterwegs in Barcelona

ein Film von Neus Ballús.

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Valero (Valero Escolar), Moha (Mohamed Mellali) und Pep (Pep Sarrà) arbei­ten als Installateure in einem Handwerksbetrieb in Barcelona. Immer wenn die Kundschaft ein Problem hat, wer­den sie geru­fen und repa­rie­ren so ziem­lich alles was im Haushalt kaputt­ge­hen kann. Der Marokkaner Moha hat erst vor Kurzem mit dem Job begon­nen und ist noch in der Probezeit, Pep hin­ge­gen steht kurz vor der Rente. Das Miteinander der Drei, die eine Woche lang zusam­men­ar­bei­ten müs­sen, ist nicht immer ein­fach. Denn gera­de Moha muss so man­che Stichelei über sich erge­hen las­sen: von Seiten der Kunden aber vor allem von Valero, der ein Problem mit dem „Neuen“ und aller­lei Vorurteile gegen­über Ausländer zu haben scheint. Können sich die Installateure zusam­men­rau­fen und die Woche überstehen?

Die kata­la­ni­sche Drehbuchautorin und Regisseurin Neus Ballús wirft in ihrem drit­ten abend­fül­len­den Spielfilm einen hei­te­ren, iro­ni­schen Blick auf das von skur­ri­len Ereignissen gepräg­te (Arbeits-)Leben der drei Protagonisten. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind ihr ein Anliegen und das erkennt man etwa an der Wahl ihrer Hauptdarsteller. Sie alle sind Laien-Schauspieler und zum Teil auch im ech­ten Leben Installateure bzw. Handwerker. Sie neh­men den Zuschauer mit in ihren Arbeitsalltag, der sie zu den Kunden nach Hause führt. Dort rei­ni­gen sie ver­stopf­te Rohre, mon­tie­ren Schaltungen, instal­lie­ren Überwachungskameras und brin­gen Klimaanlagen wie­der zum Laufen.

Hinter ver­schlos­se­ner Tür erhal­ten sie dar­über hin­aus Einblicke in die Lebensrealität und ‑wirk­lich­keit der unter­schied­lichs­ten Personen. Darunter eine Fotografin, ein Psychiater oder ein Rentner. Mit die­ser Mannigfaltigkeit spie­gelt der Film nicht zuletzt die Vielfalt jener Menschen wie­der, die in den engen Gassen und bun­ten Stadtteilen der kata­la­ni­schen Metropole Barcelona leben. Von (Überlebens-)Künstlern und mit­tel­lo­sen Studenten über Akademiker und Arbeitslose bis hin zum ein­fa­chen Arbeiter. Valero, Moha und Pep tau­chen in den Mikrokosmos ihrer Kunden ein – und mit ihnen der Kinobesucher.

Bei den Kunden kom­men es immer wie­der zu teils höchst bizar­ren, über­aus komi­schen Situationen, etwa wenn die Fotografin den schüch­ter­nen Moha als Model „zweck­ent­frem­det“. Oder bei einem argen­ti­ni­schen Paartherapeuten, der spon­tan eine Analyse der schwie­ri­gen Beziehung zwi­schen Moha und Valero vor­nimmt – wäh­rend gleich­zei­tig sei­ne smar­ten Haushaltsgeräte und moder­nen tech­ni­schen Anlagen außer Kontrolle gera­ten. In all die­sen Momenten ist „Sechs Tage unter Strom“ eher geprägt von einem maka­bren, der­ben Humor, der auf­grund der uner­war­te­ten Ereignisse und dank des Überraschungsmoments jedoch herr­lich funktioniert.

Eher sub­til und poin­tiert geht Ballús bei der Betrachtung des kom­pli­zier­ten Verhältnisses zwi­schen Moha und Valero vor. Man kann dem grob­schläch­ti­gen, wohl­be­lieb­ten Valero trotz sei­ner noto­risch schlech­ten Laune, der Anzüglichkeiten und der teils unan­ge­brach­ten Andeutungen sei­nem neu­en Kollegen gegen­über, nie wirk­lich böse sein. Insgeheim trägt er das Herz am rech­ten Fleck. Außerdem ver­deut­licht Ballús anhand die­ser Figur, dass die Furcht vor dem „Fremden“ (Migranten) und exis­ten­zi­el­len Sorgen auch im wah­ren Leben lei­der oft in Wut, Aggression sowie in von Vorurteilen gepräg­ten Alltagsrassismus münden.

Bei genaue­rer Betrachtung behan­delt „Sechs Tage unter Strom“ zudem sehr geschickt eine gan­ze Fülle an Themen, die die Sorgen und Nöte vor allem der ein­fa­chen, hart arbei­ten­den Menschen wider­spie­geln. Es geht um die spa­ni­sche Wirtschaftskrise, Konkurrenzkämpfe, die hohe regio­na­le Arbeitslosigkeit und die Frage, was eigent­lich nach der Pensionierung kommt.

Björn Schneider | programmkino.de

Credits:

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ES, FR 2021, 85 Min., span, kata­lan., ber­ber OmU
Regie: Neus Ballús
Kamera: Anna Molins
Schnitt: Neus Ballús, Ariadna Ribas
mit: Mohamed Mellali, Valero Escolar, Pep
Sarrà, Paqui Becerra, Pere Codorniu


Trailer:
SECHS TAGE UNTER STROMUNTERWEGS IN BARCELONA – Trailer OmU German | Deutsch
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