Archiv des Autors: fsk

Schwesterherz

Ein Film von Sarah Miro Fischer. Ab 8.1. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Rose und ihr älte­rer Bruder Sam haben eine enge Bindung. Als Sam der Vergewaltigung beschul­digt wird, soll Rose im Rahmen der Ermittlungen gegen ihn aus­sa­gen. Das stellt sowohl die Beziehung der bei­den als auch Roses mora­li­sche Integrität auf die Probe.
Regisseurin Sarah Miro Fischer erkun­det in Schwesterherz eine inni­ge Geschwisterbeziehung. Sie unter­sucht, inwie­fern die Nähe zu einer Person den Blick auf die Realität ver­stel­len kann und wel­che Ereignisse die Kraft haben, auch die engs­ten Bindungen zu zer­stö­ren. In ihrer Arbeit mit den Schauspieler*innen legt sie beson­de­ren Wert auf kör­per­li­chen Ausdruck, um Geschichten auch jen­seits des gespro­che­nen Worts erzäh­len zu können.

Credits:

DE/ES 2025, 96 Min., Deutsch, Englisch OmU
Regie: Sarah Miro Fischer
Kamera: Selma von Polheim Gravesen
Schnitt: Elena Weihe
mit: Marie Bloching, Anton Weil, Proschat Madani, Laura Balzer, Jane Chirwa

Trailer:
nach oben

White Snail

Ein Film von Elsa Kremser und Levin Peter. Ab 15.1. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Masha, ein bela­rus­si­sches Model, träumt von einer Karriere in China. Misha arbei­tet in einer Minsker Leichhalle und erweckt die Toten in sei­nen Ölgemälden zum Leben. Die bei­den Außenseiter füh­len sich auf unge­wöhn­li­che Weise von­ein­an­der ange­zo­gen und strei­fen gemein­sam durch die war­men Sommernächte. Misha eröff­net Masha eine unbe­kann­te Welt, die ihr Gefühl von Schönheit und Sterblichkeit auf die Probe stellt. WHITE SNAIL ist die fra­gi­le Liebesgeschichte zwei­er Außenseiter, die erken­nen, dass sie nicht allei­ne auf der Welt sind.

Credits:

DE/AT 2025, 115 Min., Russian, Belarusian, English, Mandarin OmU
Regie: Elsa Kremser, Levin Peter
Kamera: Mikhail Khursevich
Schnitt: Stephan Bechinger
mit: Marya Imbro, Mikhail Senkov

Trailer:
WHITE SNAIL – Offizieller Trailer
nach oben

Silent Friend

Ein Film von Ildikó Enyedi. Ab 15.1. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein alter Ginkgobaum im bota­ni­schen Garten in Marburg steht im Mittelpunkt die­ses poe­tisch ange­hauch­ten fil­mi­schen Essays. Der Baum ist stil­ler Zeuge drei­er Lebensgeschichten zu unter­schied­li­chen Zeiten. Im Jahr 1908 ver­sucht die ers­te Studentin der Uni Marburg, Grete (Luna Wedler), mit ihrer Kamera ver­bor­ge­ne Naturmuster zu ent­de­cken. 1972 erfährt der Student Hannes (Enzo Brumm) durch die stil­le Begegnung mit einer Geranie eine inne­re Wandlung. Und 2020 reist ein Neurowissenschaftler (Tony Leung Chiu-wai) aus Hongkong an, um ein unge­wöhn­li­ches Experiment an und mit dem Ginkgobaum vor­zu­neh­men. Sein Ziel: Tiefere Einblicke in die mensch­li­che Seele zu erlangen.

In „Silent Friend“ ist es kein mensch­li­cher Charakter, der die ein­zel­nen Elemente mit­ein­an­der ver­bin­det. Es sind die Pflanzen und vor allem der majes­tä­tisch anmu­ten­de, fast 25 Meter hohe Ginkgobaum, der als Bindeglied der drei Episoden fun­giert. Allein die­ser Umstand macht „Silent Friend“ schon rein inhalt­lich unge­wöhn­lich. Der Baum ist stum­mer Zeuge der Zeit, die unauf­hör­lich vor­bei­rinnt und der Leben, die sich vor ihm abspielen.

Überhaupt nimmt Ildikó Enyedi das „Silent“ im Filmtitel mehr als wört­lich. Der ers­te abend­fül­len­de Film der unga­ri­schen Regisseurin und Drehbuchautorin seit vier Jahren ist geprägt von Ruhe, Entschleunigung und einer andäch­ti­gen Aura. Sie erzählt lang­sam und beson­nen. Ergänzend kom­men, pas­send dazu, lan­ge Einstellungen und Kamerafahrten sowie außer­ge­wöhn­li­che Blickwinkel und Perspektiven hin­zu. Wenn Enyedi zwi­schen den Ästen hin­durch­filmt, regel­recht in die Blätter hin­ein­zoomt und ver­schie­de­ner Pflanzen mal aus der Ferne, mal in Close-Ups zeigt, dann kom­men wir der Natur (optisch) auf beson­de­re Weise nah.

Die Kameraarbeit von Gergely Pálos und der gesam­te visu­el­le Stil zäh­len ohne­hin zu den gro­ßen Stärken. Das Besondere: Jede Episode ist in einem ande­ren Filmmaterial (16mm, 35mm, digi­tal) gehal­ten und die Optiken der jewei­li­gen Zeitebenen vari­ie­ren stark. So unter­schei­den sich die Episoden nicht nur inhalt­lich und the­ma­tisch, son­dern eben­so in ihrer Wirkung und sorg­fäl­tig durch­kom­po­nier­ten Ästhetik.

Einige Gemeinsamkeiten zwi­schen den Figuren der lose mit­ein­an­der ver­knüpf­ten Einzelgeschichten gibt es aller­dings durch­aus. Sie alle, von Grete über den Studenten bis hin zum Neurowissenschaftler, stel­len sich fol­gen­de Fragen: Was neh­men Pflanzen wahr? Und wie kann man mit ihnen in Kontakt tre­ten bzw. kom­mu­ni­zie­ren? Die Kernfrage, die Enyedi antreibt, geht noch­mals wei­ter und tie­fer. Sie erforscht in „Silent Friend“ zuvor­derst die Aspekte der (mensch­li­chen) Verbundenheit mit der Natur und wie sich die Wechselwirkungen zwi­schen den Lebewesen genau mani­fes­tie­ren. Die Pflanze als beein­dru­cken­des, sen­si­ti­ves Geschöpf, das dem Menschen Kraft und Halt geben kann – nach der Betrachtung von „Silent Friend“ hallt vor allem die­se Botschaft lan­ge nach.

Ebenso blei­ben die über­zeu­gen­den dar­stel­le­ri­schen Leistungen im Gedächtnis. Allen vor­an Luna Wedler im his­to­ri­schen Erzählstrang und Tony Leung Chiu-wai fas­zi­nie­ren mit fein­füh­li­gen, nuan­cier­ten Performances. Mit wür­de­vol­ler Zurückhaltung agie­ren sie in ihren Rollen und las­sen den Pflanzen Raum für Entfaltung und, im wahrs­ten Sinne, Wachstum.
Björn Schneider | programmkino.de

Credits:

DE/HU/FR 2025, 147 Min., deutsch, eng­li­sche OmU
Regie: Ildikó Enyedi
Kamera: Gergely Pálos
Schnitt: Károly Szala
mit: Tony Leung Chiu-wai, Luna Wedler, Enzo Brumm, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Johannes Hegemann, Rainer Bock, Marlene Burow, Léa Seydoux

Trailer:
SILENT FRIEND I HD-Trailer I Ab 22.01.2026 im Kino
nach oben

Ein einfacher Unfall

Ein Film von Jafar Panahi. Ab 8.1. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein ein­fa­cher Unfall, Gewinner der Goldenen Palme von Cannes, ist eine furcht­lo­se Leistung des Filmemachers Jafar Panahi – zugleich hoch­po­li­tisch und zutiefst mensch­lich. Mit uner­bitt­li­cher Klarheit stellt der Film mora­li­sche Fragen nach Wahrheit und Ungewissheit, Rache und Gnade.
Als der Automechaniker Vahid zufäl­lig auf den Mann trifft, der ihn mut­maß­lich im Gefängnis gefol­tert hat, ent­führt er ihn, um Vergeltung zu üben. Doch der ein­zi­ge Hinweis auf Eghbals Identität ist das unver­kenn­ba­re Quietschen sei­ner Beinprothese. Auf der Suche nach Gewissheit wen­det sich Vahid an einen zer­streu­ten Kreis ande­rer, inzwi­schen frei­ge­las­se­ner Opfer. Doch je tie­fer sie in ihre Vergangenheit ein­tau­chen und je mehr ihre unter­schied­li­chen Weltanschauungen auf­ein­an­der­pral­len, des­to grö­ßer wer­den die Zweifel: Ist er es wirk­lich? Und was hie­ße Vergeltung überhaupt?

Die Figuren des Films sind zwar fik­tiv, doch die Geschichten, die sie erzäh­len, basie­ren auf rea­len Ereignissen, die von ech­ten Gefangenen erlebt wur­den. Echt ist auch die Vielfalt die­ser Figuren und ihrer Reaktionen. Einige wer­den sehr gewalt­tä­tig und von Rachegelüsten getrie­ben. Andere wie­der­um ver­su­chen, einen Schritt zurück­zu­tre­ten und über lang­fris­ti­ge Strategien nach­zu­den­ken. Einige waren stark poli­ti­siert – oder wur­den es. Andere waren es über­haupt nicht und wur­den fast zufäl­lig ver­haf­tet. Letzteres trifft auf Vahid, die Hauptfigur, zu: Er war ein Arbeiter, der ein­fach nur sei­nen Lohn ein­for­der­te. Das Regime macht kei­nen Unterschied zwi­schen die­sen Menschen. Jede der ande­ren Figuren reprä­sen­tiert eine der vie­len, mehr oder weni­ger fest orga­ni­sier­ten Oppositionsgruppen. Diese Gruppen gera­ten oft anein­an­der, sogar
hin­ter Gittern. Sie alle sind sich einig, dass sie das Regime ableh­nen, aber dar­über hin­aus gehen die Meinungen aus­ein­an­der. Seit dem Tod von Mahsa Amini und dem Aufkommen von „Frau, Leben, Freiheit” hat sich die Ablehnung des Regimes weit ver­brei­tet. Oft wis­sen die Menschen jedoch nicht, womit sie es erset­zen sol­len. Das sieht man heu­te deut­lich: Zum Beispiel zei­gen sich vie­le Frauen nun ohne Hidschab in der Öffentlichkeit. Eine sol­che Form des mas­si­ven zivi­len Ungehorsams war vor weni­gen Jahren noch undenk­bar. Die Szenen im Film, die mit unver­schlei­er­ten Schauspielerinnen auf der Straße gedreht wur­den, spie­geln jedoch die heu­ti­ge Realität wider. Es sind die ira­ni­schen Frauen, die die­sen Wandel her­bei­ge­führt haben.„
Jafar Panahi

Credits:

Yek tasa­def sadeh یک تصادف ساده,
IR/FR/LU 2025, 102 Min., far­si OmU
Regie: Jafar Panahi
Kamera: Amin Jafari
Schnitt: Amir Etminan
mit: Vahid Mobasseri, Maryam Afshari, Ebrahim Azizi, Hadis Pakbaten

Trailer:
EIN EINFACHER UNFALL Trailer OmU German | Deutsch
nach oben

Der Fremde

Ein Film von François Ozon. Ab 1.1. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

François Ozon greift einen Stoff aus den 1940er-Jahren auf: den exis­ten­zia­lis­ti­schen Romanklassiker Der Fremde von Albert Camus. Darin war­tet ein jun­ger Franzose in den 1930er-Jahren in Algerien in einer Gefängniszelle auf sei­ne Hinrichtung, weil er einen Mann getö­tet hat. Ozon ent­fal­tet das Drama um den sei­nem Tod ent­ge­gen­se­hen­den Meursault (Benjamin Voisin) und die in Rückblenden sich ent­fal­ten­den Ereignisse, die zu dem Mord geführt haben, in schwarz-wei­ßen Bildern, die in ihrer fast über­ir­di­schen Schönheit in ihren Bann schla­gen und zugleich Rätsel auf­ge­ben, weil sie in einer selt­sa­men, span­nungs­vol­len Reibung zur Geschichte stehen.

Der Kamerablick, der ein gera­de­zu ero­ti­sches Verhältnis zu der Welt an den Tag legt, scheint ein Widerspruch zu Meursaults Apathie zu sein. Während der jun­ge Mann durch sein Leben treibt, ohne von dem berührt zu wer­den, was er erlebt – vom Tod der Mutter zu Beginn über die Affäre mit einer ihn lie­ben­den jun­gen Frau bis letzt­end­lich zum impul­si­ven Akt der Tötung –, ist der Blick der Kamera umso zuge­neig­ter. Die spar­sam, aber sehr wir­kungs­voll ein­ge­setz­te Musik ver­sucht hart­nä­ckig, Meursaults Kälte gegen­über Menschen und Dingen etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Während es in dem Roman um einen Menschen geht, der nichts wert­schät­zen kann, weil er den Glauben an eine tran­szen­den­te Dimension ver­lo­ren hat und jen­seits der Dinge kei­nen höhe­ren Sinn erken­nen kann, scheint Ozon die­se Materialität durch­aus zu genü­gen, um die Welt zu lie­ben.
Felicitas Kleiner | Filmdienst

Credits:

L’Étranger
FR 2025, 120 Min., fran­zö­si­sche OmU
Regie: François Ozon
Kamera: Manu Dacosse
Schnitt: Clément Selitzki
mit: Benjamin Voisin, Rebecca Marder, Pierre Lottin, Denis Lavant, Swann Arlaud

Trailer:
Der Fremde – Trailer OmU
nach oben

Stille Beobachter

Ein Film von Eliza Petkova. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Das Dorf Pirin liegt am „äußers­ten Rand Bulgariens“ und ist Schauplatz einer Trilogie, deren zwei­ter Teil, Mayor Shephard Widow Dragon (2021), wäh­rend „ach­tung Berlin“ schon bei uns zu sehen war. Im letz­ten Teil offen­ba­ren sechs Haustiere die dunk­le Seite mensch­li­cher Ängste und des Aberglauben: eine Katze, ein Hund, ein Esel, eine Ziege, ein Pferd, ein Lamm. Stille Beobachter ist ein fil­misch äußerst ori­gi­nel­ler Film über ima­gi­nä­re Welten in geschlos­se­nen Gemeinschaften, irgend­wo zwi­schen Dokumentarfilm und Folk-Horror – alles aus der stil­len Perspektive der Tiere betrach­tet.
Eine Witwe ver­mu­tet die Seele des ver­stor­be­nen Mannes in ihrer Katze Matsa, eben­so wie der Esel Kirka der ver­zau­ber­te Sohn sei­nes Halters in ande­rer Gestalt sein könn­te. Die Besitzer müs­sen sehr auf die­se Tiere auf­pas­sen, da ande­re im Dorf in ihnen gefähr­li­che Vampire ver­mu­ten, wie alle Tiere ohne­hin kein leich­tes Leben haben und stets durch die Menschen gefähr­det sind.
„Direkt in anfäng­li­chen Close-Ups zei­gen Teile von Tiergesichtern die sechs Stars von Silent Obser­vers. Ziegennase, Eselsauge, Hundeschnauze, Pferdenüstern, Katzenöhrchen und Schafwolle wer­den nach­ein­an­der in einem bewusst ver­klei­ner­ten, und damit fokus­sier­ten Format prä­sen­tiert, beglei­tet von tra­di­tio­nel­lem Frauengesang, die Dorfszenerie getüncht in inten­si­ves Blau-Orange. Von vornher­ein expe­ri­men­tell, geben die ers­ten Minuten den ästhe­ti­schen Ton an, der in die­sem Film bis zuletzt gehal­ten wird – medi­ta­tiv, natür­lich, mehr auf Stimmung bedacht als auf ein kohä­ren­tes Narrativ. Ei­nen strin­gen­ten Faden bil­den jedoch die bemerk­ba­ren Persönlichkeiten der genann­ten Tiere, der Umgang der Dorfbewohnenden mit ihnen sowie die teils herz­li­che, teils beklem­men­de Atmosphäre in Pirin.“
Elias Schäfer | film-rezensionen.de

STILLE

Credits:

DE/BG 2024, 95 Min., bul­ga­ri­sche OmU
Regie: Eliza Petkova
Kamera: Constanze Schmitt
Schnitt: Eliza Petkova, Hannes Marget

Audiodeskriptionen, Untertitel und Hörverstärkung mit der Greta App

Trailer:
nach oben
Yi Yi – A One and a Two

Yi Yi

Ein Film von Edward Yang. Wiederaufführung.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Auf so poe­ti­sche wie zärt­li­che Weise schil­dert Yi Yi die Lebens- und Gefühlswelten einer Familie, in der die Generation der Großeltern, der Kinder und Enkel zusam­men­le­ben. Der Film beginnt mit der skep­tisch beäug­ten Hochzeit von Min-Mins jün­ge­rem Bruder und sei­ner unge­wollt schwan­ge­ren Freundin. Am Rande der Feier trifft Min-Mins Ehemann auf eine Ex-Freundin, die er vor 30 Jahren abrupt ver­las­sen hat­te – eine Begegnung, die ihn in eine tie­fe Sinnkrise stürzt. Kurz dar­auf gerät Ying-Ying, die Tochter der bei­den, in eine fata­le Gefühlslage, wäh­rend ihr jün­ge­rer Bruder Tang-Tang sein Interesse für die Fotografie ent­deckt – und für eine Mitschülerin, die ihn in der Schule schi­ka­niert. Die par­al­le­len, sich immer wie­der berüh­ren­den Handlungsstränge sind Teil einer kom­ple­xen Erzählung über mensch­li­che Verhaltensweisen und Schicksale, über Bedauern und Hoffnung, Schuld und Erlösung in Taipeh am Ende des 20. Jahrhunderts.
Edward Yang ist als einer der zen­tra­len Vertreter des Taiwan New Cinema untrenn­bar mit der in den 1980er Jahren ein­set­zen­den ästhe­ti­schen Erneuerung des tai­wa­ni­schen Kinos ver­bun­den. Seine Filme spie­geln die spe­zi­fisch tai­wa­ni­sche Erfahrung von Exil, Autoritarismus und Liberalisierung sowie die Diskrepanz zwi­schen kon­fu­zia­ni­scher und west­lich ori­en­tier­ter Moderne. Die for­ma­le Kraft und Modernität sei­ner Filme haben Taiwan zu einem der auf­re­gends­ten Orte des Weltkinos gemacht.“
Jendrik Walendi | dhm

Yi Yi, für den Yang bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2000 den Regiepreis gewann, war sein letz­ter Film, bevor er 2007 mit 60 Jahren an Krebs starb.
„Ich möch­te mei­ne Sichtweise nie­man­dem auf­zwin­gen. Ich möch­te die Dinge so natür­lich und neu­tral wie mög­lich dar­stel­len und es den Zuschauern über­las­sen, sich ihre eige­ne Meinung zu bil­den“, so erklärt Yang, war­um er den Blick aus der Distanz liebt: um die Stille oder unan­ge­neh­men Momente, die sich im Inneren abspie­len, bes­ser dar­stel­len zu können.

Credits:

Yi Yi – A One and a Two
TW/JP 2000, 173 Min., Taiwanesisches Mandarin, Japanisch OmU
Regie: Edward Yang
Kamera: Weihan Yang
Schnitt: Bowen Chen
mit Kelly Lee, Jonathan Chang, Niazhen Wu, Elaine Jin, Issey Ogata

Trailer:
Yi Yi – Trailer OV/d/f
nach oben

Die jüngste Tochter

Ein Film von Hafsia Herzi. Ab 25.12. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Zu Hause, in den Augen ihrer mus­li­mi­schen Familie, ist die 19-jäh­ri­ge Fatima eine gute Tochter: Sie betet, hat Bestnoten und ein ent­spann­tes Verhältnis zu ihren Eltern und den bei­den älte­ren Schwestern. In der Schule aber raucht sie (obwohl sie Asthma hat) und hängt mit den größ­ten Rabauken ab. Bei den homo­pho­ben Sprüchen ihrer Kumpels ist sie still – obwohl sie selbst längst weiß, dass sie wahr­schein­lich les­bisch ist. Nachdem sich Fatima per Dating-App zum ers­ten Mal mit ande­ren Frauen trifft und dabei Ji-Na (Park Min-ji) ken­nen­lernt, beginnt für sie der lan­ge, stei­ni­ge Weg raus aus dem „Schrank“, der bei Fatima eher ein Kokon ist.

Regisseurin Hafsia Herzis zwei­ter Langfilm DIE JÜNGSTE TOCHTER (frz. La peti­te der­niè­re) basiert auf dem gleich­na­mi­gen auto­fik­tio­na­len Roman der alge­risch-fran­zö­si­schen Autorin Fatima Daas. Die Heldin des Films ist in kei­ner Welt rich­tig zu Hause, wächst auf inmit­ten unauf­lös­ba­rer Widersprüche. So ver­schlos­sen ist sie, dass sie selbst die Zuschauenden stets auf Distanz hält und es ihnen schwer macht, einen rich­ti­gen Zugang zu ihr zu fin­den. Sie lügt ihre Dates und Freund*innen an und hat auf Schritt und Tritt Angst, ent­tarnt zu wer­den. Im Sommer mit ihrer ers­ten gro­ßen Liebe, der im gemein­sa­men Besuch einer CSD-Veranstaltung mün­det, blüht sie erst­mals auf, doch das Glück ist nicht von Dauer.

Herzi erzählt ellip­tisch und in scharf kon­tu­rier­ten Sequenzen von Fatimas Selbstfindung. Der Film ist gespickt mit her­aus­ra­gen­den fil­mi­schen Momenten: das Gespräch mit dem Imam etwa, der ihr vor­be­tet, war­um ihre dis­pa­ra­ten Lebenswelten sich nie ver­ein­ba­ren las­sen wer­den, oder der Versuch, sich gegen­über ihrer lie­be­vol­len Mutter zu outen. Schön, dass die­se Geschichte für ihr les­bi­sches Liebespaar nicht nur Tragik, son­dern auch ein Quäntchen Hoffnung bereithält.

Eva Szulkowsk | indiekino

Credits:

La peti­te der­niè­re
DE/FR 2025, 106 Min., Französisch, Arabisch OmU
Regie: Hafsia Herzi
Kamera: Jérémie Attard
Schnitt: Géraldine Mangenot
mit Nadia Melliti, Ji-Min Park, Aloïse Sauvage, Nemo Schiffman, Sophie Garagnon

Audiodeskriptionen, Untertitel und Hörverstärkung mit der Greta App

Trailer:
DIE JÜNGSTE TOCHTER | Trailer OmU | Ab 25.12. im Kino!
nach oben

Das Verschwinden des Josef Mengele

Ein Film von Kirill Serebrennikov. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Der Film wird kon­tro­vers gese­hen – man­che fin­den sogar, dass man zum Schluss, wenn der Mann alt und krank ist, Mitleid mit dem „Todesengel von Auschwitz” bekommt. Mir ging es nicht so, denn August Diehl ver­kör­pert Mengele von Anfang bis Ende als inhu­man, arro­gant und selbst­mit­lei­dig. Serebrennikov ver­filmt Mengeles Zeit in Lateinamerika (mit eini­gen Abstechern zurück nach Deutschland) nach sei­ner Flucht über die „Rattenlinie” als beklem­men­de Geschichtsstunde, in der viel aus­ge­spro­chen und gezeigt wird, was hier nie­mand wis­sen woll­te und will. Er bezieht sich dabei auf den gleich­na­mi­gen, genau recher­chier­ten Bestseller von Olivier Guez, wobei die bestechen­den Schwarz-Weiß-Bilder ein­deu­tig kei­nen doku­men­ta­ri­schen Charakter ent­fal­ten.
„Seine Haltung [Mengeles] spie­gelt nicht die Banalität des Bösen wider, son­dern des­sen gro­tes­ke Überhöhung: den Glauben an die eige­ne Überlegenheit, ange­heizt durch ein ver­zerr­tes Opferbewusstsein. Auf die­se Weise wird der Film zu einem Kommentar über zeit­ge­nös­si­sche Strukturen der Täterschaft und Straflosigkeit, die ohne exter­ne Systeme der Rechenschaftspflicht fort­be­stehen.“
(Evgeny Gusyatinskiy | Viennale)

Credits:

FR/MX/DE/GB 2025, 135 Min., deutsch, spa­ni­sche OmU,
Regie: Kirill Serebrennikov
Kamera: Vladislav Opelyants
Schnitt: Hansjörg Weißbrich
mit: D: August Diehl, Max Bretschneider, Dana Herfurth, Friederike Becht, Mirco Kreibich, David Ruland

Audiodeskriptionen, Untertitel und Hörverstärkung mit der Greta App

Trailer:
Das Verschwinden des Josef Mengele | TRAILER
nach oben

Palliativstation

Ein Film von Philipp Döring. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Es geht nicht dar­um, dem Leben mehr Tage zu geben, son­dern den Tagen mehr Leben“, lau­tet ein Gedanke von Cicely Saunders, Begründerin der Palliative Care. In Philipp Dörings vier­stün­di­ger Institutionsbeobachtung flirrt er in einer Präsentation auf, wäh­rend eine Pflegekraft einen neu­en Mitarbeiter ein­weist. Sie befin­den sich im Berliner Franziskus-Krankenhaus. Hier doku­men­tiert Döring eini­ge Monate zwi­schen Frühjahr und Sommer, beglei­tet Ärzte in die Visite und bei Gesprächen mit Angehörigen, lauscht dem inter­nen Austausch des Teams, in dem auch Missstände nicht ver­schwie­gen wer­den. Ein geschütz­ter, sei­nen eige­nen Gesetzen fol­gen­der Raum ent­steht. In ihm wer­den Dialoge über Lebenswege auf­ge­grif­fen und reflek­tiert, Fortschritte gefei­ert und sich abzeich­nen­de Abschiede betrau­ert. Dabei ist Palliativstation auch ein Film über Sprache: Zwischen medi­zi­ni­schem Fachjargon und Dialekt chan­gie­rend, manch­mal nur über tech­ni­sche Hilfsmittel her­stell­bar. Döring kommt dem Sterben nah, sehr nah, aber mit ihm auch dem Leben. Sein Film hat Gewicht und beein­druckt, und erdrückt doch unter kei­ner Schicksalslast. Schnell wird deut­lich: Das Leben, es endet wirk­lich erst mit dem letz­ten Herzschlag. (Carolin Weidner)

Credits:

DE 2025, 245 Min.,
Regie, Kamera, Schnitt: Philipp Döring

Trailer:
nach oben