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No Land’s Song

Am 20.3. 15:30 mit Filmgespräch mit Ayat Najafi

Ayat Najafis Film erzählt über die ver­meint­lich sub­ver­si­ve Bedrohung eines Landes durch die weib­li­che Stimme. Nach der Revolution im Iran im Jahr 1979 befan­den die reli­giö­sen Führer des Landes, es sei nicht nur unstatt­haft, son­dern ille­gal, dass Frauen stimm­li­che Soli vor einem Publikum dar­bie­ten. Der Film beglei­tet die Komponistin Sara Najafi, Schwester des Regisseurs, bei dem Versuch, ein Konzert zu Ehren der legen­dä­ren Qamar al-molou­ke Vaziri zu orga­ni­sie­ren, der ers­ten Frau, die unbe­glei­tet und unver­hüllt im Iran gesun­gen hatte.
„Konsequent lässt Najafi die Kamera auch lau­fen, wenn das Filmen ver­bo­ten ist. Zu sehen sind dann ver­deck­te Tonaufnahmen, zu hören sind die Worte, die die Absurdität der Oberen ent­blößt. Dazu erklin­gen immer wie­der wun­der­schö­ne Melodien, eine Mischung aus tra­di­tio­nel­len Weisen und neu­en Kompositionen von Sara und ande­ren ira­ni­schen Künstlerinnen, die in ihrer Kraft und Stärke zu Tränen rüh­ren. Und die zei­gen, dass die Musik in ihrer Schönheit ein Geschenk für jeden Menschen ist. Unabhängig von Kultur und Geschlecht. No Land’s Song ist ein span­nend gemach­ter und genau­es­tens beob­ach­ten­der Dokumentarfilm, der einen Blick auf eine Gesellschaft wirft, wo muti­ge Frauen jeden Tag um Gleichberechtigung kämp­fen müs­sen. Und das Recht, ihre Stimme zu erhe­ben. Um zu spre­chen, um zu pro­tes­tie­ren, um zu sin­gen.“ FBW

D 2015, 91 Min., far­si, frz. OmU
Regie:: Ayat Najafi,
mit Sara Najafi, Emel Mathlouthi, Jeanne Cherhal, Elise Caron, Parvin Namazi, Sayeh Sodeyfi

NO LAND´S SONG – Kinotrailer

Der Wert des Menschen

Woran bemisst sich der Wert des Menschen? An sei­ner Arbeitsleistung?  Wenn das stimmt, wäre Thierry Taugourdeau (Vincent Lindon) die letz­ten 20 Monate wert­los gewe­sen, denn so lan­ge war der 51-jäh­ri­ge Fabrikarbeiter arbeits­los. Dann aber fin­det er einen neu­en Job als Wachmann in einem Supermarkt. Die neue Arbeit stellt ihn aller­dings schon bald vor ein mora­li­sches Dilemma. Denn jeder, so brieft man ihn, sei ein poten­zi­el­ler Dieb. Also auch die Kollegen, des­halb soll er auch sie bespit­zeln. Es geht vor allem um Würde, denn Der Wert des Menschen ist ein Film, der sie Szene um Szene infra­ge stel­len lässt. Fast jede Situation zeigt Vorgesetzte und Angestellte, Samariter und Bittsteller. Jedes Mal von Neuem wird aus­ge­han­delt, wer spre­chen darf und wer nicht. „Werden Sie sich bei mir mel­den, oder soll ich mich bei Ihnen mel­den?“, fragt Thierry nach einem Skype-Gespräch mit einem poten­zi­el­len Arbeitgeber. „Weder noch, wir schi­cken eine E‑Mail“, bekommt er als Antwort. Gespräch beendet.

La Loi du mar­ché (Das Gesetz des Marktes, der Originaltitel) bestimmt den Rhythmus des täg­li­chen Daseins der Menschen und ihren Gebrauchswert. Die Qualität des Films liegt dar­in, dass er sich selbst kei­ne Mission gesetzt hat. Er ver­sucht nicht, das Verhältnis von Kapital und Würde umzu­keh­ren son­dern kühlt sich selbst auf das her­ab, was er bereits als gefro­re­nen Stillstand vor­aus­setzt. Und räumt dabei trotz­dem sei­ner Hauptfigur Handlungsfreiheit ein.

F  2015   93 Min.  frz. OmU 
Regie:  Stéphane Brizé 
Buch: Stéphane Brizé, Olivier Gorce 
Kamera: Eric Dumont 
Schnitt: Anne Klotz 
Mit: Vincent Lindon, Karine de Mirbeck, Matthieu Schaller,  Yves Ory

DER WERT DES MENSCHEN | Trailer | Deutsch HD | Ab 17.03. im Kino

 

 

Son of Saul

Ein Film von László Nemes. Ab 10.3. im fsk.

Auf Sauls Gesicht zeich­net sich kei­ne Regung mehr ab. Um nicht dem Wahnsinn zu ver­fal­len, hat er zwi­schen sich und den Gräueln, die sich um ihn her­um abspie­len, eine unsicht­ba­re Wand errich­tet. Der Blick ist leer, der Geist zwingt sich, nur das Unmittelbare wahr­zu­neh­men: Den stump­fen Alltag der Hölle, in der der Körper eine bes­tia­li­sche Arbeit ver­rich­ten muß. Die Kamera kon­zen­triert sich auf die­ses Gesicht, das auch dann aus­drucks­los bleibt, wenn Saul Scharen von Gefangenen durch die dunk­len Gänge des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau treibt, ihre Kleidung zusam­men­räumt, sie in die Gaskammern führt und spä­ter das Blut von den Kacheln schrubbt. Der Gegenpol die­ser Maske ist der Körper, der von den Befehlen der Aufseher gehetzt wird. Die Tonspur gibt eine ohren­be­täu­ben­de Kakophonie aus Angstschreien derer, die umge­bracht wer­den und dem Gebrüll ihrer Mörder wie­der, dazu das Geräusch des Feuers, der fal­len­den Körper, der Verrichtungen derer, die die Spuren weg­wi­schen. Saul Ausländer ent­deckt unter den Toten einen Jungen, den er für sei­nen Sohn hält. Er beginnt sich zu wider­set­zen, indem er alles ver­sucht, um ihn begra­ben zu las­sen. Die Bilder von Son of Saul ver­su­chen nicht, den phy­si­schen Ort des Vernichtungslagers zu zei­gen, son­dern des­sen Reflektion auf dem Gesicht des Gefangenen die­ses Ortes. Wenige Einstellungen zei­gen etwas ande­res, sie die­nen immer der grund­sätz­li­chen Orientierung.  Ähnlich wie Rosetta und Just the wind hetzt die Kamera hin­ter einem Fliehenden her, der weiß, das es kei­nen Fluchtort gibt.

Ungarn 2015, 107 Min., div. OmU, 
Regie: László Nemes
Buch: László Nemes, Clara Royer
Kamera: Mátyás Erdély
Schnitt: Matthieu Taponier

Cafe Waldluft

Ein Film von Matthias Koßmehl. Ab 31.3. im fsk.

Filme, die sich mit der Begegnung von Einheimischen und Ausländern beschäf­ti­gen und dabei den Culture Clash als will­kom­me­nen Anlass sehen, sich über die eine wie über die ande­re Seite lus­tig zu machen, sind sehr in Mode gekommen.

Dieser Film hier ist etwas anders gestrickt und schielt nicht wie ande­re auf den schnel­len Gag. Vielmehr bemüht sich der Film allen betei­lig­ten Personen gleich­be­rech­tigt einen Platz ein­zu­räu­men und stellt nie­man­den aus.

Einst kamen die Touristen in gan­zen Busladungen, um im schö­nen Café Waldluft einen Platz an der Sonne zu suchen, zumin­dest für die Zeit ihres wohl­ver­dien­ten Urlaubs. Seit zwei Jahren aber beher­bergt das Traditionshotel in Berchtesgaden, mit Blick auf den deut­schen „Schicksalsberg“ Watzmann und sei­ne Ausläufer, Gäste aus ande­ren Regionen der Welt: Sie stam­men aus Syrien, Afghanistan oder Sierra Leone und haben sich das Alpen-Musteridyll kei­nes­wegs aus­ge­sucht. Ihr Aufenthalt als Asylbewerber ist geprägt von end­lo­sem Warten, ermü­den­den Behördengängen, Heimweh und Sorge um ihre Verwandten.

Eine der Hauptpersonen ist die Wirtin des Gasthofes. Allein sie zu beob­ach­ten und zu spü­ren, wie­viel Empathie hin­ter ihrem Pragmatismus steckt, macht den Film schon sehenswert.

Deutschland 2015, 79 Minuten
ara­bisch, deutsch, eng­lisch mit deut­sche Untertitel
Regie: Matthias Koßmehl
Kamera: Bastian Esser
Schnitt: Andreas Nicolai

Folge meiner Stimme

Die klei­ne Jiyan und ihre Familie leben in einem kur­di­schen Bergdorf, in einer Gegend, in der die tür­ki­sche Polizei regel­mä­ßig nach Freischärlern sucht. Ihr Vater wird ver­däch­tigt, ein Gewehr zu besit­zen und des­halb gefan­gen genom­men – die Polizisten sagen: solan­ge, bis das Gewehr auf­taucht. Aber weil kei­ner in der Familie ein Gewehr besitzt, muss eines besorgt wer­den, damit der Vater wie­der frei kommt. Die Großmutter und Jiyan bre­chen des­halb auf, um jeman­den zu fin­den, der ihnen ein Gewehr ver­kauft. Und dazwi­schen, wenn sich die bei­den aus­ru­hen vom vie­len Gehen, erzählt die Großmutter ihrer Enkelin eine Geschichte, die sich eben­so zuge­tra­gen hat, wie die Geschichte, die die bei­den gera­de erleben.

Wie die Parabel vom Fuchs erzählt FOLGE MEINER STIMME in kla­ren, ein­fa­chen Bildern vom beharr­li­chen Immerweitermachen, das am Ende vom Erfolg gekrönt sein wird, aber auch davon wie unvor­her­seh­bar und bizarr das Dasein ist. FOLGE MEINER STIMME ist auch ein poe­ti­scher Film über das Geschichtenerzählen selbst, dar­über, wie in Fabeln und Gesprächen Tradition und Hoffnung von Generation zu Generation wei­ter gege­ben wer­den.” aus: Indiekino, Toni Ohms

OT: Were Dengê Min
Türkei, Deutschland, Frankreich 2013, 105 Min. OmU
Buch: Hüseyin Karabey, Abidin Parıltı
Regie: Hüseyin Karabey
Kamera: Anne Misselwitz
Schnitt: Baptiste Gacoin
Mit: Feride Gezer, Melek Ülger, Tuncay Akdemir u.a.

Folge mei­ner Stimme – Trailer 1 – Deutsch

Babai

Kosovo, in den 90er Jahren: Gezim ver­kauft Zigaretten auf der Straße und ver­sucht, sich irgend­wie über Wasser zu hal­ten, sein zehn­jäh­ri­ger Sohn Nori hilft ihm dabei. Aber Gezim will so nicht wei­ter­ma­chen, er will raus dem Kosovo, ohne sei­nen Sohn, der auf der Flucht nach Deutschland nur eine zusätz­li­che Belastung bedeu­ten wür­de. Nori jedoch will nicht zurück­blei­ben, stur hef­tet sich der Junge an den Vater. Bei einem Unfall wird Nori ver­letzt, der Vater bringt ihn ins Krankenhaus und lässt ihn dort aber allei­ne zurück. Nori ist ent­täuscht und wütend auf den Vater und nimmt sich des­halb heim­lich, was er braucht, um dem Vater hin­ter­her rei­sen zu kön­nen. Gemeinsam mit ande­ren Flüchtlingen über­quert Nori in einem Schlauchboot das Adriatische Meer und trifft in Deutschland schließ­lich wie­der auf den Vater, der mitt­ler­wei­le in einer Aufnahmestelle für Asylbewerber auf sei­ne Zukunft war­tet. Nori kann jetzt end­lich den Vater mit sei­ner Tat konfrontieren.

Im Kosovo der 90er Jahre herrsch­te ein sozia­les Klima, das ich schwer in Worte fas­sen kann. Das Erstaunliche dabei war weni­ger die Vorkriegsstimmung selbst, die ein­her­ging mit Hausdurchsuchungen, willkürlichen Erschießungen, Ausgangssperren und gro­ßer Armut, son­dern der Umgang der Menschen mit all jenen Begebenheiten. Das Gefühl der Kosovaren, dass es nicht gut um ihr Kosovo bestellt ist, war all­ge­gen­wär­tig … Das Thema des Films ist aber nicht das poli­ti­sche Klima. Das Klima ist die Grundstimmung, von der der Film getra­gen wird und der Rahmen, in dem mei­ne Geschichte ihren Anlauf nimmt. Der Film selbst erzählt eine sehr per­sön­li­che und höchst sub­jek­ti­ve Vater-Sohn-Geschichte in Zeiten der Fremdbestimmung. Da für einen poli­ti­schen Diskurs die Zusammenhänge viel zu kom­plex sind, habe ich mich beim Schreiben auf mei­ne per­sön­li­che Erfahrung kon­zen­triert. Es gibt kaum Szenen in dem Film, die ich nicht selbst oder aber im unmit­tel­ba­ren Umfeld erlebt habe.” aus einem Kommentar des Regisseurs Visar Morina

Babai” erhielt zahl­rei­che Preise (Auswahl): Filmfest München: Bester Film, Bestes Drehbuch, Beste Darsteller; Filmfestival Karlovy Vary: Beste Regie; Filmfestival Tirana: Bester Film; Filmfestival Cottbus: Bestes Debüt …

D, KOS, MK, F 2015,
104 Min.,  alba­nisch, deutsch, ser­bi­sche OmU
Buch, Regie: Visar Morina
Kamera: Matteo Cocco

Schnitt: Stefan Stabenow, Anne Fabini, Maja Tennstedt

BABAI (Trailer OmU) | missingFILMs | Kinostart 10.03.2016

Landstück

Ein Film von Volker Koepp. Ab 3.3. im fsk.

Im ruhi­gen Spiel von Licht und Schatten über den sanf­ten Hügeln, in der Weite der Landschaft und im Wolkenhimmel ver­lie­ren sich die Blicke nicht nur neu­er Bewohner ger­ne. In Landstück ist, nach Uckermark (2002), die immer schon dünn besie­del­te Endmoränenlandschaft zwi­schen Berlin und Ostsee ein wei­te­res Mal Mittelpunkt von Volker Koepps Beobachtungen. Der Regisseur por­trä­tiert in dem ihm eige­nen Rhythmus und mit wun­der­schö­nen Tableaus die Gegend um Wilmersdorf, Herrenstein und Temmen und die Menschen, die hier leben: Dorfbewohner, Zugezogene, Zurückgekommene und die, die es unfrei­wil­lig hier­her ver­schla­gen hat. Der Respekt vor der Natur eint die sonst so ver­schie­de­nen Nachbarn. Manche dar­un­ter haben hier eine neue Lebensqualität gefun­den, die nicht mit Geld auf­zu­wie­gen ist. Neben sozia­len Aspekten ist das sich durch­zie­hen­de Grundthema des Films die Nutzung und Ausbeutung des Bodens und die Zerstörung natür­li­cher Ressourcen. Als die land­wirt­schaft­li­chen Produktionsgenossenschaften der DDR abge­wi­ckelt wur­den, konn­ten sich die Äcker erho­len. Naturschutzgebiete ent­stan­den und bäu­er­li­che Familienbetriebe haben sich auf öko­lo­gi­schen Anbau umge­stellt. Aber der Boden wird auch im Osten immer knap­per und bran­chen­frem­de Investoren und Spekulanten trei­ben die Preise in die Höhe. Der kri­ti­sche Brückenschlag des Films zwi­schen Sojaanbau in Lateinamerika, Energieaufwand für Hähnchenmast, Monokulturen, Verlust und Erhaltung sel­te­ner Ackerblumen oder Wildvögel geht auf.

D 2016, 122 Min.,
Regie & Buch: Volker Koepp
Kamera: Lotta Kilian
Schnitt: Christoph Krüger

 

Freunde fürs Leben

Ein Film von Cesc Gay. Ab 25.2. im fsk Kino.

Im Original heißt der Film Truman und ich habe mich vor­her gefragt ob es um den Präsidenten oder den Autoren geht. Der Witz, daß es dann der alte stoi­sche Hund ist, geht beim neu­en Verleihtitel lei­der verloren.

Tomás ver­ab­schie­det sich von Frau und Kindern in Kanada, geht zum Flughafen, fliegt nach Madrid und checkt dort im Hotel ein. Mit gro­ßer Sachlichkeit schil­dert der Film die­se Verrichtungen einer Fernreise und bereits jetzt wird klar: Hier ist ein Film, der den Alltag schätzt und Dramatisierungen ver­mei­det. In Spanien besucht Tomás sei­nen alten bes­ten Freund, den Schauspieler Julian, der an Krebs erkrankt ist. Die Sache ist ernst, höchst­wahr­schein­lich ist es das letz­te Mal, dass sich die bei­den sehen wer­den. Doch der Ton zwi­schen den Freunden bleibt locker, auch wenn das für bei­de immer wie­der har­te Arbeit bedeu­tet. Es liegt eine gro­ße Zuneigung in dem freund­li­chen Geplänkel und den tro­cke­nen Wortwechseln, die sich Ricardo Darin (Julian) und Javier Cámara (Tomás) lie­fern, wäh­rend sie im Wortsinn letz­te Dinge erle­di­gen. Sie gehen zum Arzt, um die Behandlung abzu­bre­chen. Sie suchen psy­chi­sche Hilfe für Julians gro­ßen Boxer Truman, dem ja ein Verlust bevor­steht, und eben­so eine neue Heimat für den Hund. Und sie besu­chen Lucians Sohn, der in Amsterdam stu­diert. Dabei pas­siert nicht sehr viel. Es gibt kei­ne kathar­ti­schen Momente, kei­ne Geheimnisse, die noch ein­mal auf den Tisch müs­sen, weder den gro­ßen Zusammenbruch noch die gro­ße Versöhnung, noch letz­te Wünsche, die auf den letz­ten Drücker erfüllt wer­den müs­sen. Der Tod ist in FREUNDE FÜRS LEBEN kein auf­re­gen­des Drama, das das Leben noch ein­mal beson­ders hell strah­len lässt. Er ist und bleibt abscheu­lich. Aber wie die bei­den Freunde im Angesicht die­ser Abscheulichkeit mit einer Art lako­ni­scher Würde den Alltag einer Freundschaft auf­recht­erhal­ten, ist eben­so rüh­rend wie wohl­tu­end. Ihre gemein­sa­me Geschichte und Verbundenheit ist in jedem Moment spür­bar.“ Indiekino – Toni Ohms

Ausgezeichnet mit 5 Goyas: Bester Film, bes­te Regie, bes­tes Buch, bes­ter Darsteller (Ricardo Darin) und bes­ter Nebendarsteller (Javier Cámara)

Originaltitel: Truman
Spa./Arg. 2015,  113 Min., span. OmU 
Regie: Cesc Gay 
Buch: Cesc Gay, Tomas Aragay 
Kamera: Andreu Rebes 
Schnitt: Pablo Barbieri Carrera 
mit: Ricardo Darín, Javier Cámara,  Dolores Fonzi

FREUNDE FÜRS LEBEN – Trailer (Original mit deut­schen UT)

Als wir die Zukunft waren

Sieben Geschichten aus einem ver­schwun­de­nen Land, sie­ben Kindheits- und Jugenderinnerungen der­je­ni­gen, die in den 50er und 60er Jahren in der DDR gebo­ren wur­den und dabei hal­fen woll­ten oder soll­ten, das neue, bes­se­re Deutschland mit auf­zu­bau­en. Der Episodenfilm ver­eint ganz unter­schied­li­che Erinnerungen: vom selbst orga­ni­sier­ten Kaugummikauf an einem Westberliner Kiosk zur frü­hen Erfahrung von Bespitzelung und Vereinnahmung durch die Stasi. Wovon meh­re­re Episoden erzäh­len, ist die Flucht des jewei­li­gen Vaters in den Westen und die bit­te­ren Konsequenzen für den Rest der Familie.

Sechs Regisseure und eine Regisseurin, die alle bei der DEFA gear­bei­tet haben, und die ihren Blick auf die Vergangenheit ganz unter­schied­lich gestal­ten: mal in streng kadrier­ten Bildern, mal mit ani­mier­ten Szenen; mal mit der 8mm-Kamera gedreht, mal mit der neu­es­ten Videotechnik. Entstanden sind ganz ver­schie­de­ne und sehr per­sön­li­che Miniaturen, die von einer ver­gan­ge­nen Utopie erzäh­len und von einem System, das sei­nen Kindern nicht vertraute.

Deutsch­land 2015, 87 Min.
Regie: Lars Barthel, Gabriele Denecke, Andreas Voigt, Peter Kahane, Thomas Knauf, Hannes Schönemann, Ralf Marschalleck

 

Nichts Passiert

In Micha Lewinskys neu­em Film über­schla­gen sich Harmoniesucht und Konfliktscheue bis zur völ­li­gen Eskalation. Der unbe­ding­te Wille zu Passivität und Friedfertigkeit machen einen Vater blind vor den Konsequenzen sei­ner Taten und sind aus­schlag­ge­bend für zahl­rei­che absur­de Wendungen. Elegant chan­giert dabei die Stimmung, so dass manch befrei­tes Lachen sofort im Halse ste­cken bleibt. Eine Komödie aber ist der Film nicht, aber raben­schwarz. Komödiantisch könn­te man noch die ers­te Szene nen­nen, in der der Mann – Thomas – bei der Psychiaterin sitzt und sich red­lich bemüht, Harmonie und Wohlgefallen zu ver­brei­ten. Und je mehr er in der Therapie behaup­tet, alles sei in Ordnung, des­to weni­ger glau­ben wir ihm.
Eigentlich pas­siert natür­lich eine Menge in Nichts pas­siert. Seine Frau hat eigent­lich gar kei­ne Zeit und die Tochter kei­ne Lust. Trotzdem ist Thomas wild ent­schlos­sen, mit sei­ner Familie erhol­sa­me Skiferien in den Schweizer Alpen zu ver­brin­gen. Dass die­ses Jahr auch noch Sarah, die Tochter sei­nes Chefs, mit­kommt, macht die Sache nicht ein­fa­cher. Die bei­den Teenager kön­nen nicht mit­ein­an­der, zudem bekom­men sie Probleme mit der Dorfjugend. Als ver­ant­wort­li­cher Erwachsener müss­te Thomas han­deln, aber er setzt auf aus­sit­zen und posi­ti­ves Denken und beschwört die gute Laune auch noch, als längst nichts mehr gut ist. So ver­strickt er sich zuse­hends in einem Netz aus Lügen und Halbwahrheiten…

Der Drehbuchautor und Regisseur Micha Lewinsky  (Der Freund) schrieb mit Nichts pas­siert Devid Striesow eine Rolle auf den Leib, in der der Strahlemann des deut­schen Kinos die kom­ple­xe Hauptfigur mit furcht­erre­gen­der Sanftheit ver­kör­pert. An sei­ner Seite bril­liert die renom­mier­te Film- und Theater-Schauspielerin Maren Eggert, in einer Geschichte, die in ihrer Unausweichlichkeit einen unwi­der­steh­li­chen Sog entwickelt.

CH 2015  88 Min.
R., B.: Micha Lewinsky
K.: Pierre Mennel  S.: Gion-Reto Killias  Titelsong: Heidi Happy
D.: Devid Striesow, Maren Eggert, Annina Walt, Lotte Becker, Max Hubacher, Sarah Orlov

Nichts Passiert – ab Frühjahr 2016 im Kino!