Archiv des Autors: Christian Suhren

Das Verschwinden des Josef Mengele

Ein Film von Kirill Serebrennikov. Ab 20.11. im fsk.

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Der Film wird kon­tro­vers gese­hen – man­che fin­den sogar, dass man zum Schluss, wenn der Mann alt und krank ist, Mitleid mit dem „Todesengel von Auschwitz” bekommt. Mir ging es nicht so, denn August Diehl ver­kör­pert Mengele von Anfang bis Ende als inhu­man, arro­gant und selbst­mit­lei­dig. Serebrennikov ver­filmt Mengeles Zeit in Lateinamerika (mit eini­gen Abstechern zurück nach Deutschland) nach sei­ner Flucht über die „Rattenlinie” als beklem­men­de Geschichtsstunde, in der viel aus­ge­spro­chen und gezeigt wird, was hier nie­mand wis­sen woll­te und will. Er bezieht sich dabei auf den gleich­na­mi­gen, genau recher­chier­ten Bestseller von Olivier Guez, wobei die bestechen­den Schwarz-Weiß-Bilder ein­deu­tig kei­nen doku­men­ta­ri­schen Charakter ent­fal­ten.
„Seine Haltung [Mengeles] spie­gelt nicht die Banalität des Bösen wider, son­dern des­sen gro­tes­ke Überhöhung: den Glauben an die eige­ne Überlegenheit, ange­heizt durch ein ver­zerr­tes Opferbewusstsein. Auf die­se Weise wird der Film zu einem Kommentar über zeit­ge­nös­si­sche Strukturen der Täterschaft und Straflosigkeit, die ohne exter­ne Systeme der Rechenschaftspflicht fort­be­stehen.“
(Evgeny Gusyatinskiy | Viennale)

Credits:

FR/MX/DE/GB 2025, 135 Min., deutsch, spa­ni­sche OmU,
Regie: Kirill Serebrennikov
Kamera: Vladislav Opelyants
Schnitt: Hansjörg Weißbrich
mit: D: August Diehl, Max Bretschneider, Dana Herfurth, Friederike Becht, Mirco Kreibich, David Ruland

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Trailer:
Das Verschwinden des Josef Mengele | TRAILER
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Palliativstation

Ein Film von Philipp Döring. Am 21.11., 17.30 Uhr im fsk mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch (wei­te­re Termine, ohne Gespräch: 23.11. 12:30 & 24.11. 17:30).

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Es geht nicht dar­um, dem Leben mehr Tage zu geben, son­dern den Tagen mehr Leben“, lau­tet ein Gedanke von Cicely Saunders, Begründerin der Palliative Care. In Philipp Dörings vier­stün­di­ger Institutionsbeobachtung flirrt er in einer Präsentation auf, wäh­rend eine Pflegekraft einen neu­en Mitarbeiter ein­weist. Sie befin­den sich im Berliner Franziskus-Krankenhaus. Hier doku­men­tiert Döring eini­ge Monate zwi­schen Frühjahr und Sommer, beglei­tet Ärzte in die Visite und bei Gesprächen mit Angehörigen, lauscht dem inter­nen Austausch des Teams, in dem auch Missstände nicht ver­schwie­gen wer­den. Ein geschütz­ter, sei­nen eige­nen Gesetzen fol­gen­der Raum ent­steht. In ihm wer­den Dialoge über Lebenswege auf­ge­grif­fen und reflek­tiert, Fortschritte gefei­ert und sich abzeich­nen­de Abschiede betrau­ert. Dabei ist Palliativstation auch ein Film über Sprache: Zwischen medi­zi­ni­schem Fachjargon und Dialekt chan­gie­rend, manch­mal nur über tech­ni­sche Hilfsmittel her­stell­bar. Döring kommt dem Sterben nah, sehr nah, aber mit ihm auch dem Leben. Sein Film hat Gewicht und beein­druckt, und erdrückt doch unter kei­ner Schicksalslast. Schnell wird deut­lich: Das Leben, es endet wirk­lich erst mit dem letz­ten Herzschlag. (Carolin Weidner)

Credits:

DE 2025, 245 Min.,
Regie, Kamera, Schnitt: Philipp Döring

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Paternal Leave

Ein Film von Alissa Jung. Ab 27.11. im fsk.

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Die 15-jäh­ri­ge Leo sucht nach ihrem ihr unbe­kann­ten Vater und erkennt ihn schließ­lich als Surflehrer in Italien auf einem you­tube-Video. Kurzerhand macht sie sich auf den Weg von Berlin an die Küste des win­ter­li­chen Norden Italiens. Der klei­ne Badeort, in dem Paolo lebt und arbei­tet, scheint völ­lig ver­las­sen. Als Leo ihrem Vater dort schließ­lich fin­det, ist er völ­lig über­for­dert, schickt sie aber nicht gleich fort.
„Schauspielerin und Kinderärztin Alissa Jung prä­sen­tiert mit Paternal Leave … ihr Langfilmdebüt als Regisseurin. In der deutsch-ita­lie­ni­schen Koproduktion, in der ihr Ehemann Luca Marinelli die männ­li­che Hauptrolle spielt, wid­met sich Jung auf fein­füh­li­ge, aber kitsch­freie Art einer gera­de erst begin­nen­den Vater-Tochter-Beziehung. Leo und Paolo legt sie als unkon­ven­tio­nel­le, kom­ple­xe Charaktere an, die Fehler machen dür­fen: Auf kur­ze Momente der Annäherung folgt schnell die nächs­te Enttäuschung. Selbstbewusst kon­fron­tiert Leo ihren Vater mit sei­nen Versäumnissen und sei­nem feh­len­den Verantwortungsgefühl. Auf sei­ne fau­len Ausreden hat Leo immer die pas­sen­de Antwort und hält ihm kon­se­quent den Spiegel vor. In den tris­ten Nebensaisonaufnahmen des im Sommer sehr beleb­ten, kin­der­freund­li­chen Ortes spie­gelt sich Leos Traurigkeit, wäh­rend Paolos lie­be­vol­ler Umgang mit sei­ner jün­ge­ren Tochter Emilia Leo schmerz­lich vor Augen führt, was Paolo ihr vor­ent­hal­ten hat. Die … Tragikomödie über­zeugt mit dem rele­van­ten Thema abwe­sen­der Väter – und vor allem mit ihrer coo­len und schlag­fer­ti­gen jun­gen Heldin, die sich erwach­se­ner und reflek­tier­ter ver­hält als ihr Vater.“ Stefanie Borowsky | indiekino

Credits:

DE/IT 2025, 113 Min., dt.,engl. ital. OmU
Regie & Schnitt: Alissa Jung
Kamera:
Carolina Steinbrecher
Schnitt: Heike Parplies, David Maria Vogel
mit: TJuli Grabenhenrich, Luca Marinelli, Arturo Gabbriellini, Joy Falletti Cardillo, Gaia Rinaldi

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Zweitland

Ein Film von Michael Kofler. Ab 4.12. im fsk.

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Südtirol ken­nen die meis­ten als gro­ßes und traum­haf­tes Skigebiet, und manch­mal wun­dert sich auch jemand, dass neben Italienisch Deutsch, oder sogar noch eine völ­lig unbe­kann­te Sprache gespro­chen wird. Das Gebiet hat eine beweg­te Geschichte, und eines der letz­ten hier­zu­lan­de wenig bekann­ten, span­nungs­rei­chen Kapitel beleuch­tet der selbst aus Südtirol stam­men­de Michael Kofler in sei­nem Spielfilmdebüt Zweitland auf erhel­lend-inten­si­ve Weise.
Die Handlung setzt 1961 ein. Der jun­ge Bauernsohn Paul will der Perspektivlosigkeit sei­nes Dorfes ent­kom­men und Malerei stu­die­ren, sein älte­rer Bruder Anton schließt sich dem kom­pro­miss­lo­sen Kampf der Separatisten an. Er flieht und lässt Hof und Familie zurück, nach­dem er als einer der Attentäter ent­tarnt wird. Widerwillig ver­schiebt Paul sei­ne eige­nen Pläne, um Antons Frau Anna und ihren klei­nen Sohn zu unter­stüt­zen. Während die Lage eska­liert und die ita­lie­ni­sche Polizei hart durch­greift, beginnt Anna sich zuneh­mend gegen die patri­ar­cha­len Strukturen ihres Umfelds zu weh­ren. Paul hin­ge­gen muss sich ent­schei­den – zwi­schen fami­liä­rer Loyalität und per­sön­li­cher Selbstverwirklichung.
Hintergrund: Eine Reihe von Bombenanschlägen erschüt­tert die Provinz Anfang der 1960-er Jahre. Die von der faschis­ti­schen Mussolini-Regierung vor­an­ge­trie­be­ne Italienisierung der ehe­mals öster­rei­chi­schen Provinz wur­de auch nach dem Krieg fort­ge­führt. Aufgrund die­ser poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Marginalisierung der deutsch- und ladi­nisch spre­chen­den Gruppe grün­de­te sich der zuneh­mend deutsch­na­tio­nal gesinn­te „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS), der mit Gewalt die Trennung von Italien durch­set­zen woll­te. Die Meinung zu den Separatisten teil­te Gesellschaft Südtirols, griff auch zer­stö­re­risch im Leben gan­zer Familien ein.

Gewalt erzeugt neue Gewalt, eine gefähr­li­che Spirale, die nur schwer auf­zu­hal­ten ist – das betont Kofler mit den letz­ten, nie­der­schmet­tern­den Bildern unmiss­ver­ständ­lich.“ Christopher Diekhaus | programmkino.de

Credits:

DE/IT/AT 2025, 112 Min.,
Regie & Schnitt: Michael Kofler
Kamera:
Felix Wiedemann
Schnitt: Florian Miosge
mit: Thomas Prenn, Aenne Schwarz, Laurence Rupp, Francesco Acquaroli

Audiodeskriptionen, Untertitel und Hörverstärkung mit der Greta App

Trailer:
Zweitland | Trailer Deutsch HD | Ab 04.12. im Kino
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Sentimental Value

Ein Film von Joachim Trier. Ab 4.12. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nora ist fas­sungs­los, als ihr Vater Gustav bei der Beerdigung ihrer Mutter auf­taucht, schließ­lich hat er sei­ne Familie vor vie­len Jahren ver­las­sen. Immer schon war dem einst gefei­er­ten Filmregisseur sei­ne Arbeit wich­ti­ger als sei­ne Töchter gewe­sen, was Nora ihm nicht ver­zei­hen kann. Jetzt kommt er mit einem Script, in dem er ihr, einer Theaterschauspielerin mit zu gro­ßem Lampenfieber, die Rolle sei­ner Mutter auf den Leib geschrie­ben hat. Nora lehnt das offen­sicht­li­che Versöhnungsangebot ent­schie­den ab. Gustav enga­giert dar­auf­hin statt­des­sen den Hollywoodstar Rachel, und beginnt, den Film auf dem alten Familienwohnsitz, wo Nora und ihre Schwester Agnes auf­wuch­sen, mit dem Dreharbeiten – kaum ver­wun­der­lich, dass alte Dynamiken wie­der ins Rollen gera­ten.
„Ich glau­be, wir woll­ten etwas über Versöhnung, Familie und Zeit machen“, erklär­te Trier auf der Pressekonferenz in Cannes. „Wir befin­den uns jetzt mit­ten im Leben und haben einen grö­ße­ren Überblick über die Lebensspanne eines Menschen. Wir erken­nen, dass hin­ter jedem kom­pli­zier­ten Elternteil oft ein ver­letz­tes Kind steckt. Und wir haben erkannt, dass Gustav Borg, auch wenn er ein kom­pli­zier­ter Vater ist, als Künstler über zwei Ausdrucksweisen ver­fügt. Wir woll­ten über die Verletzlichkeit der Kommunikation spre­chen, über die Unfähigkeit, in einer Familie zu kom­mu­ni­zie­ren, und dar­über, ob Kunst dabei eine Rolle spie­len kann.“
„Gleich zu Beginn von Sentimental Value wird ein Zuhause nicht über sei­ne Architektur beschrie­ben, son­dern über die Erinnerung. Eine Stimme erin­nert sich an Wände, die einst warm waren, vol­ler Leben – erfüllt von Stimmen, Licht, Streit, Freude. Jetzt ist die Luft still. Die Stimmen sind ver­schwun­den. Und das Haus, einst fast eine Figur für sich, trägt nur noch Echos in sich. In die­sen stil­len Überresten der Vergangenheit legt Joachim Trier den emo­tio­na­len Grundstein für sei­nen bis­her reifs­ten und zärt­lichs­ten Film.“ Mia Pflüger | kino-zeit

Credits:

Affeksjonsverdi
DK/DE/FR/NO 2025, 132 Min., Norwegisch mit deut­schen Untertiteln
Regie: Joachim Trier
Kamera: Kasper Tuxen
Schnitt: Olivier Bugge Coutté
mit: Renate Reinsve, Stellan Skarsgård, Elle Fanning, Inga Ibsdotter Lilleaas

Trailer:
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