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Alles andere zeigt die Zeit

Ein Film von Andreas Voigt,  am 31.1. 15:30 & 7.2 16:00 im fsk Kino.
Am 31.1. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch.

Der Dokumentarfilmer Andreas Voigt kehrt 18 Jahre nach den Filmen sei­ner „Leipzig-Reihe“ (1986−1997), in denen er Leipziger Bürger durch die Zeiten des poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Umbruchs beglei­te­te, noch ein­mal in die Stadt zurück. Er trifft drei sei­ner eins­ti­gen Porträtierten erneut, fragt, was aus ihnen wur­de und was sich seit­dem in Leipzig getan hat. Es tre­ten auf: Isabel, eine ehe­ma­li­ge Punkerin, jetzt als Steuerprüferin kaum wie­der­zu­er­ken­nen. Sven, immer wie­der arbeits­los, ver­hei­ra­tet, geschie­den, mal poli­tisch rechts, mal links und wie­der zurück und schließ­lich Renate und ihr tra­gi­sches Leben, in dem Täter- und Opferrolle häu­fig nicht mehr zu unter­schei­den sind.  „Man spürt bereits die Gabe die­ses Regisseurs, Menschen lebens­welt­lich zu begrei­fen. Er erfühlt, wie Land und Leute ein­an­der durch­drin­gen. Selten fragt er drän­gend, nie­mals mani­pu­la­tiv. Man kann und möch­te ihm ant­wor­ten, denn man wird ja nach sich selbst gefragt. Und er lässt gel­ten, was man ihm erzählt.“ (Die Zeit, Christoph Dieckmann)  Nach dem Sehen von Alles ande­re zeigt die Zeit ent­steht eine gro­ße Lust alle sechs Filme aus sei­ner „Leipzig-Reihe“ zu sehen und zu zei­gen, was wir uns vor­ge­nom­men haben, noch die­ses Jahr in die Tat umzusetzen.

D 2015, 90 Min.
Regie: Andreas Voigt,
Kamera: Sebastian Richter, Schnitt: Kathrin Dietzel

Interview mit Andreas Voigt bei der Dokfilmwoche Leipzig:

Interview Andreas Voigt

Family Business

Ein Film von Christiane Büchner. Ab 28.1. im fsk Kino. 

Eine 24-Stunden-Betreuungskraft aus Polen über­nimmt, was die berufs­tä­ti­gen Töchter nicht leis­ten kön­nen: sie küm­mert sich um Anne, die 88-jäh­ri­ge Mutter. Auf der Schwelle zur Demenz darf man sie nicht allein las­sen, und die­se Regelung scheint die bes­te zu sein. Joswita braucht drin­gend Geld für Familie und Haus. Sie macht eine Ausbildung zur Pflegerin und bekommt schnell eine Stelle in Bochum. Sie soll Anne betreu­en. Im 2‑mo­nats-Rhythmus pen­delt sie ab nun zwi­schen Zuhause und Arbeitsstätte. Aber rund­um-Pflege ist eine sehr per­sön­li­che Sache, mit wenig Privatsphäre für bei­de Seiten.

Noch hat Anne ihren eige­nen Kopf und will die Kontrolle nicht auf­ge­ben, und Joswita mag sich nicht in ihre Arbeit hin­ein­re­den las­sen. Zudem ver­liert die alte Dame zuneh­mend den Bezug zur Realität, Joswita wie­der­um ver­misst ihre Familie.Der Film taucht in den Alltag bei­der Familien ein und zeigt, wie die Wirtschaft nach und nach in das Familienleben Einzug erhält. Zeit und Lohn wer­den aus­ge­tauscht. Doch wie sieht die mensch­li­che Bilanz in die­sem Geschäft aus?

Ob Sprachbarrieren, kul­tu­rel­le Andersartigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten ob der Haushaltsführung – der Zuschauer ist direkt mit ein­ge­bun­den und erlebt so direkt vie­le hei­te­re, anstren­gen­de, schwie­ri­ge aber auch berüh­ren­de Momente. Dies ver­dankt der Film einer gro­ßen und stets spür­ba­ren Vertrautheit zwi­schen der Regisseurin und den Menschen, die sie beglei­tet. Trotz der gro­ßen Nähe beob­ach­tet Büchner nur und mischt sich nicht ein. Das Thema hät­te aktu­el­ler nicht gewählt sein kön­nen. Es gibt unzäh­li­ge älte­re Menschen in Deutschland, die auf Pflege ange­wie­sen sind, sie sich aber nicht leis­ten kön­nen. Eine aus­ge­bil­de­te Haushaltshilfe aus Polen ist oft der ein­zi­ge Ausweg für die Familien. Auch die­sen Aspekt bringt der Film unauf­dring­lich näher, ohne direkt mit dem Finger auf das Problem zu zei­gen. FAMILY BUSINESS ist ein groß­ar­ti­ger Dokumentarfilm über ein wich­ti­ges und aktu­el­les Thema unse­rer Zeit. Unaufdringlich, und doch zutiefst berüh­rend.“ FBW

D / PL 2015  89 Min., deutsch, pol­ni­sche OmU 

Regie: Christiane Büchner 

Buch: Christiane Büchner. 
Kamera: Justyna Feicht, Thomas Plenert, Ton: Claas Berger, Schnitt: Henk Drees, Stefan Oliveira-Pita

Cemetery of Splendour

Ein Film von Apichatpong Weerasethakul. Ab 14. Januar im fsk Kino

In einem zur Klinik umge­wan­del­ten Schulgebäude wer­den schlaf­kran­ke Soldaten behan­delt. Während die Ärzte mit Hilfe neu­es­ter Technik das Leid der Soldaten zu lin­dern ver­su­chen, inter­es­sie­ren sich die bei­den Pflegerinnen Jen und Keng für eine ganz ande­re Sichtweise auf die Krankheit, deren Ursachen und mög­li­cher Heilung. Keng kann die Gedanken und Erinnerungen der schla­fen­den Soldaten lesen und teilt sie den Angehörigen mit. Jen ver­sucht die Skizzen im Notizbuch eines Soldaten zu deu­ten, zu dem sie sich hin­ge­zo­gen fühlt. Möglich wäre auch ein Zusammenhang zwi­schen der Geschichte des Ortes und dem aktu­el­len Leiden der Soldaten – wenn man Sinneserfahrung, Gedanken und Träume als gleich­wer­ti­ge Weisen der Erkenntnis ansieht.

(…)„Dies ist mein per­sön­lichs­ter Film“, sagt Apichatpong Weerasethakul, der selbst an die Wiederkehr der Toten glaubt. „Ich spü­re ihre Anwesenheit tat­säch­lich“, bekennt er im Gespräch, „aber nur zu Hause, nicht wenn ich in Frankreich bin“. Man muss ihm kei­nes­wegs in eso­te­ri­sche Gefilde fol­gen, um dem Zauber die­ses behut­sa­men Filmgedichts zu erlie­gen. Als Kind eines Arztes ver­brach­te er einen Großteil sei­ner Jugend in einem Krankenhaus, was die hei­me­li­ge Atmosphäre die­ses Hospitals der Geister erklä­ren mag.

Höhepunkte sind eine rät­sel­haf­te Montageszene, in der er den heil­sa­men Farben bis in ein Multiplexkino folgt, wo man einen bil­li­gen Fantasy-Blockbuster mit ganz ande­ren Geistern spielt. Oder eine Exkursion in den Wald, der das Krankenhaus umgibt und in dem die Frauen einen unsicht­ba­ren Palast ent­de­cken…“ Daniel Kothenschulte, FR

Thailand, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Malaysia 2015,
122 Min.,  thai­länd. OmU 
Regie: Apichatpong Weerasethakul 
Kamera: Diego Garcia 
Schnitt: Lee Chatametikoo 
Mit: Jenjira Pongpas Widner, Banlop Lomnoi, Jarinpattra Rueangram u.a.

Im Schatten der Frauen

Ein Film von Philippe Garrel. Ab 28.1. im fsk.

Pierre und Manon sind mit­tel­los. Sie dre­hen Dokumentarfilme ohne Geld und kom­men mit ver­schie­de­nen Brotjobs gera­de so über die Runden. Eines Tages begeg­net Pierre der jun­gen Praktikantin Elisabeth, die zu sei­ner Geliebten wird. Manon zu ver­las­sen, kommt für ihn aber nicht infra­ge, er möch­te bei­de. Doch als Elisabeth ent­deckt, dass Manon einen Geliebten hat, teilt sie das Pierre mit, was die­sen zum rasen bringt.

Lebenslügen und Selbstbetrug wer­den in „Im Schatten der Frauen” ver­han­delt, gespie­gelt durch das Sujet von Pierres aktu­el­lem Projekt, einem Film über einen Widerstandskämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg, von dem sich her­aus­stellt, dass er im Krieg kei­nes­wegs so mutig war wie er vor­gibt. In einer prä­gnan­ten Szene hän­gen Pierre und Manon da an den Lippen des Widerstandskämpfers, lau­schen sei­nen (erfun­de­nen) Heldengeschichten und igno­rie­ren geflis­sent­lich die Frau des Ehemanns, die ihnen lie­be­voll selbst geba­cke­ne Plätzchen anbie­tet. Wie so oft ste­hen die Frauen im Schatten der Männer, so wie auch Manon ganz für ihren Mann lebt, nicht selbst Erfüllung in einem Beruf sucht, son­dern ihn bei sei­ner Arbeit unter­stützt.   Natürlich sind auch die Frauen bei Garrel schön, aber mehr als in vie­len ande­ren Filmen sind sie hier nicht nur Objekte. Die Bilder, die beson­ders schön sind, zumal Garrel in wun­der­ba­rem, grob­kör­ni­gen schwarz-weiß und in Scope dreh­te, objek­ti­vie­ren zwar wie eh und je, doch dem setzt Garrel eine aus­gie­bi­ge Kommentarspur ent­ge­gen, die den emo­tio­na­len Reigen mit iro­ni­schen Bemerkungen kom­men­tiert. Sie ermög­licht es, das Treiben prak­tisch von Außen zu betrach­tet, erzeugt eine Distanz zu der ste­reo­ty­pen Dreiecks-Beziehung und dekon­stru­iert sie. So ist „Im Schatten der Frauen” am Ende bei­des: Ein ganz typi­scher fran­zö­si­scher Liebesfilm, der gleich­zei­tig sei­ne eige­nen Strukturen hin­ter­fragt.”  Michael Meyns

OT: L’ombre des femmes
F 2015 73 Min., frz. OmU
Regie:  Philippe Garrel
Kamera Renato Berta
Schnitt: Jean-Louis Aubert
Darsteller:  Clotilde Courau, Stanislas Merhar,  Lena Paugam,  Vimala Pons,  Antoinette Moya,  Jean Pommier,  Therese Quentin, Mounir Margoum 

Trailer: Der Schatten von Frauen (L’ombre des femmes, Philippe Garrel F‑2015) HD OmdU

Anomalisa

Ein Film von Charlie Kaufman & Duke Johnson. Ab 21.1. im fsk Kino.

Die Geschichte eines Motivationstrainers, der an der Kälte und Einsamkeit des Lebens bei­na­he zugrun­de geht und der, trotz Begegnungen mit zahl­rei­chen Frauen, immer tie­fer in sei­ner pri­va­ten Hölle ver­sinkt, hat nichts mit Disney-Nettigkeiten zu tun, son­dern setzt Stop-Motion wie ein distan­zie­ren­des Element ein, das der Entfremdung eine zwin­gen­de und gleich­zei­tig beklem­men­de Form ver­leiht. «Was macht das Wesen des Menschlichen aus?», heißt es ein­mal. «Ist es der Schmerz?»

Von Charlie Kaufman, dem Drehbuchautor von BEING JOHN MALKOVICH, ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND und Regisseur von SYNECDOCHE, NEW YORK kann man min­des­tens einen Film erwar­ten, der anders ist. ANOMALISA ist sehr anders: Ein Stop-Motion-Animationsfilm für Erwachsene, den Kaufman über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter finan­ziert hat.
Hauptdarsteller des Films sind extrem rea­lis­ti­sche, etwa drei­ßig Zentimeter gro­ße Puppen, die irr­wit­zig detail­rei­chen Sets sind hand­ge­baut. Die Gesichter der Puppen bestehen aus zwei Teilen, wodurch ein schwar­zer Strich über den Augen sicht­bar bleibt, als wäre der Blick der Figuren durch­ge­stri­chen. In die­sem Film, in dem es um die ent­zau­ber­te Wahrnehmung einer Welt geht, die nur aus Fassaden besteht, wirkt das eben­so plau­si­bel wie fas­zi­nie­rend. (…) Die Puppen, deren Gesichter durch aus­tausch­ba­re Gesichtsteile ani­miert wer­den, sind so aus­drucks­stark, dass die US-Ratingagentur den Film ab 17 frei­ge­ge­ben hat, schließ­lich wird in Kaufmans Film auf die Toilette gegan­gen, mas­tur­biert und Michael und Lisa haben außer­dem eben­so lei­den­schaft­li­chen wie unbe­hol­fe­nen, sehr pri­va­ten Sex, bei dem man ihre Puppennatur bei­na­he ver­gisst und sich ein wenig schämt, einem so inti­men Moment bei­zu­woh­nen.“ (Tom Dorow)

ANOMALISA gewann den Großen Preis der Jury auf dem Filmfestival in Venedig.

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USA 2015, 90 Min., engl. OmU
Regie: Charlie Kaufman, Duke Johnson
Drehbuch: Charlie Kaufman
Kamera: Joe Passarelli
Schnitt: Garret Elkins
Musik: Carter Burwell

Stimme Lisa: Jennifer Jason Leigh
Stimme Michael: David Thewlis
Stimme alle ande­ren: Tom Noonan

die „Dreharbeiten”:

 

Familie Haben

ab 7.1. im fsk Kino.

Nach jahr­zehn­te­lan­gem Schweigen trifft der Regisseur, Jonas Rothlaender, sei­nen Großvater Günther, der im Laufe sei­nes Lebens meh­re­re Millionen in ris­kan­ten Börsenspekulationen ver­un­treut hat. Günther lebt 90-jäh­rig, schwer krank und völ­lig ver­armt in einem Altersheim. Als Bettina, Jonas Mutter und Günthers Tochter, ihn nach sehr lan­ger Zeit besucht, in der Hoffnung, sich end­lich mit ihrem Vater zu ver­söh­nen, scheint kei­ne Annäherung mehr mög­lich zu sein.
Der Filmemacher ver­folgt die Spuren von schein­bar nicht zu lösen­den Konflikten inner­halb sei­ner Familie und stellt sich immer wie­der die Frage nach der Möglichkeit von Tradierung die­ser Zerwürfnisse und ihrer schmerz­haf­ten Folgen. Ein per­sön­li­cher Film, der in der furcht­ba­ren mikro­kos­mi­schen Familienkonstruktion das Universelle sucht.

Deutschland 2015, 130 Min., deutsch
Regie, Kamera: Jonas Rothlaender, Schnitt: Dietmar Kraus

 

Louder than bombs

Ein Film von Joachim Trier. Ab 7.1. im fsk

Isabell Reed, renom­mier­te Kriegsfotografin, ist, obwohl schon 3 Jahre tot, Dreh- und Angelpunkt des Films. Die Fotos, die sie unter Einsatz ihres Lebens mach­te (ihre Narben trägt sie wir Trophäen), waren ihr Leben. Zu Hause fühl­te sie sich oft über­flüs­sig, hat­ten sich doch Mann Gene und ihre Söhne Jonah und Conrad zwangs­läu­fig ohne sie ein­ge­rich­tet. Jetzt, wo sie ganz weg ist, lei­den alle an immensen Schwierigkeiten in der Kommunikation und dem uner­füll­ten Verlangen nach Ehrlichkeit und Nähe. Auch die Zersplitterung der linea­ren Erzählung durch inein­an­der ver­lau­fen­de Rückblicke und Traumsequenzenen auf der for­ma­len Ebene unter­strei­chen die Dysfunktion die­ser Restfamilie.

Die Handlung wie­der­zu­ge­ben wäre müßig, zuviel pas­siert für jeden Einzelnen, tra­gi­sche, komi­sche, inti­me, ver­zwei­fel­te Momente, die den Film zusam­men­hal­ten, so wie das Leben sie zusam­men­bringt. Zur Geschichte nur soviel: Jonah ist gera­de selbst Vater gewor­den, als er ins Elternhaus zurück­kommt, um zusam­men mit Gene für eine gro­ße Ausstellung den Nachlass der Mutter zu ord­nen. Vor allem aber soll er den Zugang zu sei­nem jün­ge­ren Bruder Conrad fin­den, den der Vater längst ver­lo­ren hat. Joachim Trier hat ein Netz von Wünschen, Zweifeln und inne­ren Sperren gespon­nen, aus dem sich sowohl Gene als auch sei­ne Jonah und Conrad befrei­en müs­sen. Wunderbar gespielt, super-ele­gant umge­setzt und bei aller Ruhe sehr sehr spannend.

»In den 35 Jahren seit „Ordinary People“ [Robert Redfords Regiedebut] wur­den im ame­ri­ka­ni­schen Kino wie­der und wie­der Geschichten davon erzählt, wie der Tod eine Familie zer­stö­ren kann, ohne dass es jemand zuge­ben will. „Louder than Bombs“ ist eine sol­che Geschichte, … ‚aber der Film schafft es, genau das Gegenteil von allen ande­ren Filmen des Genres zu sein. Gedreht von Regisseur Joachim Trier, der klar zu talen­tiert ist, um dar­aus eine kon­su­mier­ba­re Schnulze zu machen, ist in „Bombs“ das Hirn der Zuschauer gefragt, und er mei­det die gro­ße Katharsis zu Gunsten fei­ner psy­cho­lo­gi­scher Nuancen … « Variety

Dän./Norw./USA 2015 109 Min. engl. OmU
Regie: Joachim Trier
B.: Joachim Trier, Eskil Vogt
Kamera: Jakob Ihre
Schnitt: Oliver Bugge Coutté
Musik: Ola Fløttum

mit Isabelle Huppert, Gabriel Byrne, Jesse Eisenberg, Devin Druid, David Strathairn, Amy Ryan

Louder Than Bombs – Trailer 1 – Englisch – UT Deutsch

Die Melodie des Meeres

Ein Film von Tomm Moore, ab 24.12. im fsk.

Als klei­nes Weihnachts-Experiment und zei­gen wir im Abendprogramm einen Animationsfilm, der aber nicht nur Kinder anspre­chen soll­te, in der eng­li­schen Originalfassung mit deut­schen UT.
Die 6‑jährige Saoirse fin­det die magi­sche Muschel ihrer ver­stor­be­nen Mutter und lauscht ihrer Musik. Ein Märchen beginnt, denn Saoirse ist in Wirklichkeit ein Selkie, ein Seehundmädchen, das an Land lebt. Eine alte iri­sche Sage erzählt von zwei Welten – dem Meer und dem Land –, zwi­schen denen sich Saoirse ent­schei­den muss.
Die Familie, von der Tomm Moore in sei­nem (nach The Secret of Kells) zwei­ten Animationsfilm erzählt, ist nach dem Tod der Mutter in eine schwe­re Krise gera­ten. Der Vater, ein Leuchtturmwärter, tut alles für sei­ne Kinder – doch Sohn Ben ver­ach­tet die klei­ne Schwester, die er für den Tod sei­ner Mutter ver­ant­wort­lich macht. Zudem hat Saoirse in ihrem Leben noch kein ein­zi­ges Wort gespro­chen. Für die Großmutter ist klar, dass die bei­den weg müs­sen von der klei­nen Insel, und nimmt sie mit in die Stadt. Für Ben ist das ein schwe­rer Schlag. Noch schlim­mer trifft es aller­dings Saoirse, denn sie braucht das Meer.

»Moores Film ist ein tief berüh­ren­des, durch und durch iri­sches Gegenstück zu Miyazakis „Ponyo – Das gro­ße Abenteuer am Meer“ – also ein Kinderfilm, der nicht nur jun­ge Kinogänger begeis­tert, son­dern auch älte­re Semester sofort ver­zau­bert. In „Die Melodie des Meeres“, der 2015 eine hoch­ver­dien­te Oscarnominierung als Bester Animationsfilm erhielt, zele­briert Moore den Reichtum der kel­ti­schen Mythen und trägt auf best­mög­li­che Weise dazu bei, dass die­se nicht in Vergessenheit gera­ten.« Ulf Lepelmeier | filmstarts.de

Kritik in der Süddeutschen

Song of the Sea 
Irland, Frankreich 2014, 93 Min., engl. OmU 
Regie: Tomm Moore 
Musik : Nolwenn Leroy, Bruno Coulais und Kíla 
mit den Stimmen von David Rawle, Brendan Gleeson, Fionnula Flanagan, Pat Shortt

Song of the Sea Teaser

im Kino mit deut­schen Untertiteln

Unsere kleine Schwester

Die Schwestern Sachi, Yoshino und Chika leben gemein­sam in einem gro­ßen Haus in Kamakura, einer Küstenstadt unweit von Tokio. Zur Beerdigung ihres Vaters, der die Familie vor 15 Jahren ver­las­sen hat, rei­sen die drei jun­gen Frauen aufs Land. Dort tref­fen sie ihre Halbschwester Suzu, die nun auf sich allein gestellt ist. Obwohl sie die schüch­ter­ne 13-Jährige kaum ken­nen, bie­ten sie ihr kur­zer­hand an, zu ihnen nach Kamakura zu zie­hen. Suzu nimmt die Einladung an, und so beginnt für die vier Schwestern ein neu­es Leben, in dem zwar die Vergangenheit ihren Platz hat, aber ein­zig die Gegenwart zählt. Schimmernde Sonnenreflexe auf dem Meer, das leuch­ten­de Laub des Herbstwaldes, ein Feuerwerk, das den Sommer ankün­digt – inmit­ten des Farbenspiels, das die Stadt Kamakura im Zyklus der Jahreszeiten durch­läuft, spielt die Geschichte die­ser vier Schwestern.  Es liegt nahe bei die­ser Geschichte um eine Familie, die zer­fal­len ist und ver­sucht sich neu zu fin­den, an Filme von Yasujiro Ozu zu den­ken. Und in der Tat besticht der Film von Kore Eda, der gewöhn­lich auch die­ses Thema immer wie­der behan­delt, genau­so durch sei­ne ent­schie­de­ne Zurückhaltung bezüg­lich der Dramaturgie und Inszenierung. Auch die Konflikte wer­den nie voll­kom­men aus­ge­spielt, son­dern schwin­gen höchs­tens im Hintergrund (und in den Gesichtern) mit. Dabei wagt der Film sich ganz wun­der­bar auf einen schma­len und fra­gi­len Grad zwi­schen Kitsch und Subtilität.

OT: Umimachi Diary 

Japan 2015, japan. OmU, 128 Min. 
Buch & Regie: Hirokazu Kore-Eda 
Kamera:  Mikiya Takimoto 
Schnitt: Hirokazu Kore-Eda 
Comicvorlage: Akimi Yoshida 
Darsteller: Haruka Ayase, Masami Nagasawa, Kaho, Suzu Hirose,  Ryô Kase,  Takafumi Igeka

Our Little Sister – Trailer 【Fuji TV Official】

im Kino mit deut­schen Untertiteln.

Conducta

Kuba 2014, ein Film von Ernesto Daranas. Ab 7.1. im fsk.

Der elf­jäh­ri­ge Chala wächst bei sei­ner dro­gen­süch­ti­gen Mutter auf und muss mit mehr oder min­der lega­len Jobs zum Lebensunterhalt bei­tra­gen, zum Beispiel indem er einem Nachbarn, der viel­leicht sogar sein Vater ist, Hunde auf­zie­hen und für blu­ti­ge Wettkämpfe abrich­ten hilft. Kein Wunder, fällt er den Behörden und ande­ren Aufsichtspersonen immer wie­der nega­tiv auf. Durch sei­ne Lebensumstände zwar gewieft, doch nicht abge­stumpft, bewegt er sich zusam­men mit sei­nen Freunden in den lär­mig bun­ten Strassen Havannas wie ein Fisch im Wasser. In der Schule ist er nie um einen Spruch ver­le­gen, in Auseinandersetzungen bleibt er hart, doch but­ter­weich, wenn es um sei­ne Mutter, sei­ne heim­li­che Liebe zu Yeni oder sei­ne ver­ehr­te Lehrerin Carmela geht.

Carmela, sei­ne eigent­lich schon pen­sio­nier­te Lehrerin, steht dem Jungen mit ihrer Lebensklugheit bei­sei­te, deckt ihn bei brenz­li­gen Situationen, spricht mit ihm, nicht ohne gleich­zei­tig den Eltern ins Gewissen zu reden, sich bes­ser um ihn zu küm­mern. Als sie nach einem Zusammenbruch län­ger aus­fällt, beschließt das Schulteam, dass Chala in ein Erziehungsheim muss. Gegen die­sen Entscheid und ande­re Veränderungen an der Schule wehrt sich Carmela bei ihrer Rückkehr vehe­ment, auch wenn damit ihr eige­nes Verbleiben an der Schule auf dem Spiel steht.

Die Erziehung ist für jedes Land von grund­sätz­li­cher Bedeutung. Wie die Bildung in einem Land struk­tu­riert ist, auf wel­che Kriterien sie sich stellt, bestimmt zu einem gro­ßen Ausmaß die Gesellschaft, die wir in der Zukunft haben wer­den. In Bezug auf Kuba inter­es­sier­te uns beson­ders die Aufgabe der Lehrkraft im ursprüng­li­chen Sinn. Der Lehrer oder die Lehrerin ist jemand, der das Wissen einer bestimm­ten Materie ver­mit­teln kann, der umfas­sen­de Pädagoge gibt dar­über hin­aus Werte und Gefühle wei­ter, was im Film über die Figur von Carmela auf­ge­grif­fen wird. Dieser Typ von Schullehrer ist welt­weit in Krise, wie wir fest­stel­len konn­ten. Bildungssysteme grün­den heute
Mechanismen, die zwar in jedem Land eine eige­ne Ausprägung haben, die­se Funktion aber ten­den­zi­ell zuneh­mend beschnei­den. Im Interesse der ein­zel­nen Gesellschaft wer­den eine Reihe von Kriterien auf­ge­stellt, die den Handlungsspielraum des klas­si­schen Lehrers immer mehr einschränken.
Natürlich erhält die­ses System in Kuba einen ganz eige­nen Zuschnitt, und natür­lich spie­len sozia­le Bedingungen eine Rolle. Unser Land lebt seit qua­si 25 Jahren in einer per­ma­nen­ten Wirtschaftskrise, das hin­ter­lässt Spuren und hat Auswirkungen vor allem auf die jun­ge Generation, und da zual­ler­erst auf Kinder aus ein­fa­chen Verhältnissen, dar­auf, wie sie das Leben anpa­cken. Oft gibt es zuhau­se Probleme und drän­gen wirt­schaft­li­che Nöte. Gerade sie soll­ten in der Schule nicht noch­mals auf solch nega­ti­ve Mechanismen sto­ßen, son­dern – das wäre wün­schens­wert und wich­tig – auf jeman­den wie Carmela.” Ernesto Daranas

Kuba 2014, 108 Min., spa­ni­sche OmU
Buch und Regie: Ernesto Daranas
Kamera: Alejandro Pérez
Schnitt: Pedro Suárez 

Mit Alina Rodríguez, Armando Valdés Freire, Silvia Aguíla, Yuliet Cruz, Armando Gomez

Trailer „Conducta”