Woody Allen begleitet mich seit eigentlich schon immer. Jedenfalls seit den 70er Jahren, Spielfilme gegen Fernsehserien, zu der Zeit Take the money and run gegen Derrick. Ein Fernseher für zwei Fraktionen, im Einfamilienhaus. Freitagabend bevor Freitag/Samstagabend zu Disco wurden. Das SS Mitglied Herbert Reinecker gegen Allen David Koenigsberg, Paranoia in der Straßenbahn gegen die erste Szene von Annie Hall. Jahrzehnte später macht Woody Allen mit 84 nach Stardust Memories einen weiteren Film im Film, entspannt in San Sebastian, während des Festivals. Wallace Shawn, der mit My dinner with Andrew und Vanya on 42 street von Louis Malle auch im Film dem Theater treu blieb, für das er hauptsächlich arbeitet (auch als Autor), spielt hier die typischste aller Woody Allen Verkörperungen. Intellektuell, banal, verkorkst, hellsichtig, verwickelt, allein im Kosmos für solche wie ihn und deshalb immer in Gesellschaft.
Wallace Shawn lebt also ein Filmfestival lang den Nachmittag eines Fauns aus. Sich seiner eigenen Grenzen nicht bewußt aber diese beharrlich verfolgend. Ein Vergnügen.
Rifkin’s Festival wurde bereits 2019 gedreht, kommt nun aber auch endlich in hiesige Kinos. Wie so oft bei Allen ist dies ein vielschichtiger, warmherziger Film. Noch dazu einer, der das europäische Kino ehrt und zelebriert. In der Hauptrolle agiert Wallace Shawn. Er ist praktisch Woody Allen’s Alter Ego. Als Romanautor gescheitert, als New Yorker Filmdozent nur Anhängsel seiner Frau Sue, begleitet Mort Rifkin sie zu den Filmfestspielen in San Sebastián. Dort macht Sue die PR für den neuen Film des Regisseurs Philippe, den Mort so gar nicht ausstehen kann. Er hegt auch den Verdacht, dass Sue eine Affäre hat. Als er dann die ortsansässige Ärztin Jo kennen lernt, findet er immer wieder neue Gründe, wieso er sie aufsuchen muss. Mort sinniert über seine Beziehungen – und das in Tagträumen, die großen europäischen Filmklassikern nachempfunden sind.
(Peter Osteried, Cineman)
Credits:
ES/US/IT 2020, 92 Min., engl. OmU,
Regie: Woody Allen
Kamera: Vittorio Storaro
Schnitt: Alisa Lepselter
mit: Elena Anaya, Louis Garrel, Gina Gershon, Sergi López, Wallace Shawn, Christoph Waltz
Trailer:
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