ein Film von Céline Sciamma
Marieme lebt mit ihrer Familie in der Pariser Banlieue. Die Mutter sorgt fürs Einkommen, der große Bruder kommandiert alle herum und sie versorgt die jüngeren Schwestern. Außerfamiliär ist es nicht besser. In der Nachbarschaft geben Jungs den Ton an und die Schule ist eine Sackgasse. Doch dann gerät sie ins Blickfeld einer coolen dreiköpfigen Mädchengang, die sich Freiheiten nimmt, von denen Marieme bislang nur träumte. Dort wird sie aufgenommen und heißt fortan Vic (wie Victory). Von jetzt an macht das Leben Spaß: Vic schwänzt den Unterricht, verändert ihr Äußeres und liefert sich mit ihren neuen Freundinnen Scharmützel mit rivalisierenden Banden. Das neue Leben soll ihr Weg in die Unabhängigkeit sein.
Intimität und Inszenierung
Bande de Filles ist ein intimes Porträt, eine klassische Coming-of-Age-Geschichte. Es ist kein Film über von Minderheiten geprägte Arbeiterviertel, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass im Laufe der letzten 20 Jahre in Frankreich zu diesem Thema ein eigenes Genre mit eigenen Regeln und Codes entstanden ist. Schonungslose Filme wie La Haine (Hass) mit seinem Fokus auf sozialem Realismus oder wie L’Esquive, der sich auf Sprache konzentriert, geben dem Publikum einen Einblick in die Rituale der armen Vorstädte. Mit seinen modernen Charakteren, neuen Gesichtern und Einstellungen erfüllt Bande de Filles die Kriterien eines fiktionalen Manifests, das einen neuen, vielversprechenden narrativen Ansatz verfolgt.
Die Geschichte spielt in verschiedenen Vierteln am Rande von Paris: in den Vorstädten Bagnolet und Bobigny. Sie zeigt die Bezirke, die öffentlichen Räume und wie sich Menschen und Dinge in ihnen bewegen. Unser Szenenbild versucht, diese Viertel neu zu interpretieren. Die gesamte Innenausstattung wurde in einem Studio geschaffen, wo die Farben ausgewählt und durchdacht wurden. Eine Sichtweise wurde vorgegeben: ein Raum zur Schaffung von Setting und Inszenierung.
Bande de Filles wurde in CinemaScope gedreht, dem idealen Format für die filmische Darstellung einer Gang und der Solidarität, die diese Figuren ausstrahlen. Wir nutzten statische Einstellungen mit einer sehr bewusst gewählten Perspektive statt der vorhersehbaren Energie einer Steadicam. Wir verwendeten Kamerafahrten und setzten oft Plansequenzen ein. Die Erzählweise ist episodenhaft und von dramaturgischen Zeitsprüngen geprägt.
Die Entstehungsgeschichte
Die Figuren selbst gaben den Anstoß für dieses Filmprojekt. Die Teenagerinnen, die ich regelmäßig in der Nähe des Pariser Einkaufszentrums Les Halles, in der Metro oder manchmal am Bahnhof Gare du Nord herumhängen sah: immer waren sie in einer Gang, laut, lebhaft, tanzend. Da ich mehr über sie erfahren wollte, suchte ich nach ihren Blogs und war von ihrer Ästhetik, ihren Styles und Posen fasziniert.
Neben ihrer unglaublichen Energie spiegeln ihre Profile all die Themen wider, die seit jeher den Kern meiner Arbeit als Filmemacherin ausmachen: die Konstruktion weiblicher Identität innerhalb der sozialen Begrenzungen, der Restriktionen und Tabus, bei der die spielerische Auseinandersetzung mit Außenwahrnehmung und Identität von zentraler Bedeutung ist. Es war mein Wunsch, mich weiter mit der Frage von Jugend und Initiationserzählungen zu beschäftigen, aber in einem zeitgenössischen Kontext, verankert in der politischen Wirklichkeit des heutigen Frankreich.
Mit diesen besonderen jungen Frauen war es möglich, ein ein realistisches Portrait mit einer dynamischen, spannungsreichen Fiktion zusammenzubringen.
Obwohl es um eine bestimmte Generation geht und die Geschichte tief in der französischen Gesellschaft verwurzelt ist, gehört sie gleichzeitig in das Reich der filmischen Mythologie: Jugendliche, die gesellschaftlichen Restriktionen und Tabus unterworfen sind. Es ist eine Geschichte, die junge Frauen, die in den armen Minderheitenvierteln im Frankreich von heute aufgewachsen sind, besser erzählen können.
(Céline Sciamma)
Drehbuch & Regie - Céline Sciamma
Produktion – Bénédicte Couvreur
Casting – Christel Baras
Kamera – Crystel Fournier
Schnitt - Julien Lacheray
Ton - Pierre André / Daniel Sobrino
Musik – Para One
Regieassistenz - Delphine Daull
mit:
Karidja Touré – Marieme / Vic
Assa Sylla - Lady
Lindsay Karamoh – diatou
Marietou Touré – Fily
Idrissa Diabate – Ismaël
Simina Soumare – Bébé
Cyril Mendy – Djibril
Djibril Gueye - Abou
Internationaler Titel: Girlhood
Frankreich 2014 – 112 Min. – französische OmU
freigegeben ab 12 Jahren (FSK Prüfkarte – pdf)
hier im Kino
- Viennale 2014
- Lux Filmpreis
- Cannes 2014
- arte (Video zu den Dreharbeiten)
- Filmtipp Vision Kino
Kritiken: