Paradies

Ein Film von Andrei Konchalovsky.

Konchalovsky macht uns mit drei Personen ver­traut, deren Wege sich wäh­rend der Nazidiktatur kreu­zen. Jules, Polizeioffizier und Kollaborateur, der im besetz­ten Paris für die Deutschen die Drecksarbeit macht, Folter ein­ge­schlos­sen. Ansonsten ein Mann mit Stil und Familie. Olga, die rus­si­sche Aristokratin im Exil ver­sucht zwei jüdi­sche Kinder zu ver­ste­cken. Sie wird ver­haf­tet, Jules vor­ge­führt und schließ­lich ins Konzentrationslager ver­schleppt. Helmut ist die drit­te Person, ein glü­hen­der Nationalsozialist, SS Offizier und Lagerkontrolleur. Er trifft Olga, die er zufäl­lig auf einer Reise in Italien ken­nen­lern­te, im KZ wie­der. Die Handlung wird immer wie­der unter­bro­chen, weil die drei Hauptpersonen des Kammerspiels über das Erlebte befragt wer­den. Offensichtlich befin­den sie sich dabei nicht mehr im Diesseits. Sie reflek­tie­ren was geschah, geben Auskunft, schwei­fen ab, erzäh­len. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen im 4:3‑Format bei den Befragungen, die manch­mal fast wie Tableaus wir­ken­den Bilder sowie die kunst­vol­le Einführung und Verschränkung der drei Hauptfiguren las­sen PARADIES wie eine Parabel erschei­nen. Dazu passt auch das stets etwas distan­ziert wir­ken­de Spiel der Darsteller bei gleich­zei­ti­ger Überzeichnung der Charaktere, was ins­be­son­de­re bei den Deutschen wie dem KZ-Kommandanten Krause oder Heinrich Himmler deut­lich auf­fällt. Dadurch ent­geht Konchalovsky der Gefahr, sich an Klischees abzu­ar­bei­ten und schlägt einen ande­ren, abs­trak­te­ren Weg ein. Die ein­zi­ge natür­li­che Person ist Olga. Menschlich in einer von macht­süch­ti­gen, ent­in­di­vi­dua­li­sier­ten Männern domi­nier­ten Schreckenszeit.

„Mit sei­nem ästhe­tisch beein­dru­cken­den Werk gelingt dem inter­na­tio­nal bekann­ten rus­si­schen Regie-Altmeister Andrej Konschalowsky ein sub­ti­ler Blick aus gesamt­eu­ro­päi­scher Sicht auf Schicksale in Zeiten des bar­ba­ri­schen Horrors durch den Holocaust. Speziell mit den streng kadrier­ten Schwarz-Weiß-Aufnahmen ver­sucht er sich dem Grauen nüch­tern und unprä­ten­ti­ös zu nähern. Die beängs­ti­gen­de Atmosphäre sei­nes Melodrams, um eine hoff­nungs­lo­se Liebe, ver­schärft er weni­ger durch dra­ma­tur­gi­sche Zuspitzung, son­dern ver­dich­tet es mit sti­lis­ti­schen Mitteln, wie den Zeugen-Sequenzen sei­ner Darsteller vor einer Art Jenseits-Gericht.”
Luitgard Koch | programmkino.de

Russland/Deutschland 2016, 130 min., rus­sisch, deut­sche, fran­zö­si­sche, hebäi­sche OmU
Regie: Andrei Konchalovsky
Drehbuch: Andrei Konchalovsky, Elena Kiseleva.
Darsteller: Julia Vysotskaya, Philippe Duquesne, Christian Clauß, Peter Kurth, Jacob Diehl, George Lenz, Viktor Sukhorukov, Anna-Mariya Danilenko, Anastasiya Serova, Yaroslav Khimchenko, Jean Denis Römer, Caroline Piette