Isle of Dogs

Ein Film von Wes Anderson.

Dass nur vier Jahre nach „The Grand Budapest Hotel“ erneut eine Berlinale mit einem Film von Wes Anderson eröff­net, hat frag­los auch damit zu tun, dass das ein­fluss­rei­che Medienboard Berlin-Brandenburg Geld in bei­de Produktionen steck­te, Hauptgrund ist aller­dings zwei­fels­oh­ne, dass es Anderson wie kaum ein ande­rer Regisseur ver­steht, fas­zi­nie­ren­de Oberflächen zu kre­ieren, hin­ter denen – wenn man mag – viel­fäl­ti­ge Subtexte zu ent­de­cken sind.

Die Oberfläche von „Isle of Dogs“ ist dies­mal beson­ders atem­be­rau­bend, denn zum zwei­ten Mal nach „Der fan­tas­ti­sche Mr. Fox“ hat Anderson einen Animationsfilm gedreht, im klas­si­schen Stop-Motion-Verfahren, durch des­sen hand­ge­mach­te Qualität die unge­fähr einen hal­ben Meter gro­ßen Figuren eine bemer­kens­wer­te Lebensnähe bekom­men. Den Hunden in ers­ter Linie, denn um des Menschen bes­ten Freund geht es in die­sem Abenteuer bzw. um eine Welt, in der die­se Freundschaft zer­bro­chen ist.

In einem leicht futu­ris­ti­schen Japan, der Metropole Megasaki spielt die Geschichte, eine Stadt, die vom mäch­ti­gen Kobayashi-Clan beherrscht wird, der eine beson­de­re Vorliebe für Katzen hat. Dementsprechend schwer haben es die Hunde, die zuneh­mend unter Diskriminierung lei­den, aber auch an einer ende­mi­schen Hunde-Grippe, einem Problem, das Kobayashi mit einer extre­men Entscheidung lösen will: Alle Hunde sol­len ins Exil abge­scho­ben wer­den, auf eine Müllinsel, wo sie fort­an ohne ihre mensch­li­chen Herrchen existieren.

Allein der 12jährige Atari will sich nicht damit abfin­den, dass sein Hund Spots ins Exil geschickt wur­de. Doch sei­ne Rettungsaktion schei­tert, bis er von einer Gruppe Hunden mit so klin­gen­den Namen wie Chief, King, Rex und Boss gefun­den und qua­si adop­tiert wird. Doch wäh­rend sich die meis­ten Hunde dar­über freu­en, end­lich wie­der einem Herrchen gehor­chen zu dür­fen, ver­wei­gert der Streuner Chief die Gefolgschaft. Er lehnt jeg­li­che Unterwerfung unter die Menschen ab, was wie­der­um Atari über­aus irri­tiert. In Megasaki schmie­det Kobayashi der­weil fins­te­re Pläne und plant, dem Hundeproblem end­gül­tig Herr zu wer­den: Mittels Vernichtungslager.

Fast schon fri­vol mutet es an, wenn über solch einem Lager, ein leicht gerun­de­tes, schmie­de­ei­ser­nes Schild hängt, auf dem man „Welcome Dogs“ lesen kann, in unver­kenn­ba­rer Anspielung an das „Arbeit macht frei“-Schild in deut­schen Konzentrationslagern. Doch ehe man sich fra­gen kann, ob solch eine Anspielung viel­leicht etwas schwie­rig ist, ist Wes Anderson längst drei, vier Einfälle wei­ter, reißt der kaum zu Ruhe kom­men­de Fluss von „Isle of Dogs“ wei­ter, wei­ter zu den nächs­ten fan­tas­ti­schen Bildern, voll­ge­stopft mit Anspielungen an japa­ni­sche Filme, die Popkultur, aber auch an die Großmeister der japa­ni­schen Animation von Hokusai bis Miyazaki.

In einer Sichtung ist kaum zu erfas­sen, mit wel­chen Reichtum an Bildern und Verweisen Anderson die 100 Minuten sei­nes Films gefüllt hat, die er in sei­nen typi­schen zen­trier­ten Tableaus, mit Reißschwenks und Parallelfahrten insze­niert. Eine Vielfalt, die sich auch in den Geschichten spie­gelt. Um die Beziehung zwi­schen Mensch und Tier geht es, vor allem aber um das Verhältnis von Lebewesen im Allgemeinen, um Vorurteile und Diskriminierung, Exil und Vertreibung. Zeitgemäße Themen, die in „Isle of Dogs – Ataris Reise“ aber nie­mals didak­tisch ver­han­delt wer­den, son­dern auf mit­rei­ßen­de, enorm phan­ta­sie­vol­le Weise erzählt werden.
Michael Meyns | programmkino.de

Credits
USA 2018, 101 Min., engl. japan. OmU

Regie & Buch: Wes Anderson
Kamera: Tristan Oliver
Animation: Mark Waring
Montage: Andrew Weisblum

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