Petting Zoo

Ein Film von Micah Magee. Ab 19. Mai im Kino.

Layla steht kurz vor ihrem Schulabschluss, als sie erfährt, dass sie schwan­ger ist. Ihren Freund hat sie gera­de ver­las­sen und weil sich ihre Familie wei­gert, einer Abtreibung zuzu­stim­men, fügt sich Layla in ihre Situation und lässt den Plan, auf­’s College zu gehen, fal­len. Weil es zwi­schen ihr und den Eltern nicht funk­tio­niert, zieht sie zur Großmutter, wo auch der Onkel mit sei­ner Familie lebt. Sie hält sich mit einem Job in einem Call Center über Wasser und lernt neben­bei für ihre Abschlussprüfungen. Auf einem Konzert wirft Layla einen Blick auf Aaron, der so ganz anders ist als der Junge, von dem sie schwan­ger ist.

Mit genau­em und empa­thi­schem Blick erzählt PETTING ZOO davon, wie es sich anfühlt, als Minderjährige aus der Bahn gewor­fen zu wer­den. Dabei ent­steht nicht nur eine gro­ße Nähe zur Hauptfigur Layla, son­dern auch zu den ande­ren Figuren. PETTING ZOO ist Micah Magees Abschlussfilm, ko-pro­du­ziert unter ande­rem von der dffb und der grie­chi­schen Regisseurin Athina Rachel Tsangari und gedreht in einem Vorort von San Antonio, Texas – der Stadt mit der zweit­höchs­ten Rate von Teenagerschwangerschaften in den USA.


Micah Magee über ihren Film:

San Antonio
PETTING ZOO wur­de in San Antonio, Texas an den Orten mei­ner Kindheit, gedreht. Da wo mei­ne Cousinen im Teenageralter jetzt leben: Schulen ent­wor­fen von Gefängnisarchitekten, Wohnmobile, Rock-Bars, ver­las­se­ne halb­fer­ti­ge Stadtteile, 

» wei­ter­le­sen

Gewerbegebiete zwi­schen den Feldern. Ich woll­te die unter­schied­li­chen Menschen im Film und den Ort an sich her­vor­he­ben. Ich den­ke, wenn man sich die Eigenheiten einer Gemeinschaft oder eines Ortes super­ge­nau ansieht, dann kön­nen ande­re Orte auch was damit anfan­gen. Durch das Genaue und Örtliche erreicht man was Allgemeingültiges.

Petting Zoo
In San Antonio bin ich damals zu Fuß den Highway ent­lang zur Arbeit gelau­fen. Als Fußgänger lebt man in Städten wie S.A. eher aben­teu­er­lich. Es gab einen klei­nen Streichelzoo auf dem Weg zwi­schen unse­rem Haus und dem Highway mit einem leicht lah­men Lama, einem Esel, einem statt­li­chen Hahn und ein paar halb­gro­ßen Pferden in einem Pferch. Das Lama und der Esel ver­such­ten stän­dig zu kopu­lie­ren, wahr­schein­lich weil es nichts Besseres zu tun gab. Einmal, als ich vor­bei­kam, stopp­te die­ses rote Cabrio­let und eine gut­aus­se­hen­de blon­de Frau stieg mit ihrem gut­aus­se­hen­den, son­nen­be­brill­ten Freund aus. Sie woll­te das Lama strei­cheln, auf dem aber immer noch der Esel hock­te. Sie und ihr Freund tur­tel­ten der­weil. Ich ging da ein­fach vor­bei, aber die all­ge­mei­ne Kaputtheit die­ser Szene blieb mir erhal­ten. Für mich bezieht sich PETTING ZOO auf Sex und irgend­wo ste­cken­blei­ben, aber hat auch was Verspieltes.

Film als Ballade
Filmsprache und Sprache an sich, sind mir wich­tig. Dramaturgie ist mir egal, dar­um folgt PETTING ZOO auch nicht so sehr einer stren­gen Zeitfolge. Er ist eher bal­la­den­ar­tig, wo Dinge gesche­hen, weil sie nun­mal eben gesche­hen und nicht weil sie für eine schö­ne Geschichte wich­tig sind. Meine Eltern san­gen viel als ich auf­wuchs. Sehr lan­ge Lieder mit Geschichten und ich den­ke, die­se Struktur ent­spricht ziem­lich gut dem Leben: und dann, und dann, und dann.
Sehr sel­ten, außer in einer fik­tio­na­len Konstruktion oder beim Gespräch mit dem Analytiker, gibt es die­ses „wenn – dann”, „sähen und ern­ten” oder ein klar ver­ständ­li­ches „des­we­gen”. Ich mag Trickfilme in de­nen Leuten das Piano auf den Kopf fällt. Das scheint mir ziem­lich realistisch.

Statistisch Ausgedrückt
Ich habe die meis­te Zeit in den letz­ten Jahren in Europa gelebt, trotz­dem: Ich lie­be Texas – ich bin voll die Texas-Nationalistin. Weil ich es so lie­be, hät­te ich ger­ne wenn sich ein paar Dinge dort ändern.
Seit vie­len Jahren schlägt sich Texas mit Themen wie Geschlechterselbstbestimmung, frau­en­spe­zi­fi­sche Gesundheitsthemen, glei­cher Lohn und Früherziehung rum. Als ich an mei­nem Drehbuch arbei­te­te, fand ich eini­ge erstaun­li­che Unterlagen. 2011 hat­te San Antonia die zweit­höchs­te Teenagerschwangerschafts­rate aller Städte in den USA – über 50% höher als der natio­na­le Durchschnitt. Statistisch betrach­tet hat eine texa­ni­sche Teenagerin mehr und frü­her Sex und den mit mehr Partnern als der Rest der USA – aber benutzt wesent­lich sel­te­ner ein Kondom. Jedes Jahr gibt es 4000 neue schwan­ge­re Teenager in San An­tonio. Laut einem Report von 2011 geben 94% der öffent­li­chen Schulen im Aufklärungsunterricht Absti­nenz als die ein­zi­ge Verhütungsmethode an.

Unbetreute Erkundungen
Ich will wirk­lich nie­man­dem erklä­ren, was man über die Rechte von Mädchen, Teenagerschwanger-schaf­­ten oder Abtreibung den­ken soll­te – aber ich hof­fe, der Film gene­riert eine posi­ti­ve, vom gemein­sa­men Respekt getra­ge­ne Diskussion dar­über. Als Teenagerin hat man manch­mal Sex ohne viel dar­über zu wis­sen. Der eige­ne Körper wird gera­de erst ent­deckt. Sex ist für einen ein stän­di­ges Thema. Es ist neu, es ist über­all. Kindern wird zu oft erzählt, Sex sei etwas Schlimmes, wovor man Angst haben soll­te. Und so blei­ben sie unauf­ge­klärt und allein­ge­las­sen mit den Konsequenzen ihrer eige­nen Erfahrungen.

Dieses beun­ru­hi­gen­de Gefühl
Ich woll­te PETTING ZOO mit einem Element, daß mir sehr wich­tig ist, durch­we­ben: Dieses Gefühl, wenn man auf­wacht und sich nicht sicher ist, ob man gera­de ver­gisst wer man ist. Vielleicht ist man woan­ders rea­ler und man ver­gisst das Wichtigste. Was ist das Wichtigste? Irgendwas ent­glei­tet dir. Es ist ein beun­ruhigendes Gefühl. Besonders zusam­men mit dem Gefühl daß das Leben dich durch Zeit und Raum jagt und zwar in eine frag­wür­di­ge Richtung.

Schwangere Teenager
Da ich sel­ber als Teenager schwan­ger war, woll­te ich die­se Geschichte eher mit Mitgefühl und aus der Erfahrung her­aus, als aus einem poli­ti­schen Blickwinkel erzäh­len. Ich woll­te den Schwerpunkt, unab­hängig von der Entscheidung der jun­gen Frau, auf ihre Möglichkeiten als Mutter, oder was auch immer sie wählt, set­zen und nicht auf das Bedauern über den „Fehler”, den sie gemacht hat oder die Belastung, die sie nun für die Gesellschaft dar­stellt. Das Teenagerdasein ist an sich schon schwie­rig genug. Bei einer Schwangerschaft ändert sich der Körper noch­mals komplett.

Devon Keller als Layla
Um die rich­ti­ge Layla zu fin­den gab es ein rie­si­ges Casting. Zusätzlich zu den gro­ßen Castings mit Freun­den in NY und LA gab es vie­le Streetcastings. Da unse­re Casting-Leiterin Vicky Boone sonst bei grö­ßeren Projekten arbei­tet, gab es eine gro­ße Resonanz: etwa 1000 Mädchen. Zum ers­ten Mal sah ich De­von Keller als ich mich bei einer Modenschau an mei­ner Highschool Clarke umge­se­hen habe und sie einen Taco-Bell Burrito gewon­nen hat. Sie saß im Publikum und kam gera­de hoch um ihren Coupon zu bekom­men und sie war ganz offen­sicht­lich die Richtige. Es dau­er­te aber zwei Monate um sie und ihre Mutter zu über­zeu­gen zu einem Vorspiel zu kom­men und noch län­ger ande­ren die Zweifel zu neh­men, daß sie die­se Rolle aus­fül­len kann, wo sie doch noch nie gespielt hat. Sie war erst 16 und noch in der Mittelstufe. seit den Dreharbeiten hat sie ihren Abschluss gemacht und stu­diert in San Antonio, bedient in einem Steakhaus und wohnt bei ihrer Mutter. Sie wür­de ger­ne wei­ter schau­spie­lern und viel­leicht auch am Theater ler­nen, aber im Moment geht es erst­mal ums über die Runden kommen.

Laiendarsteller sind Schauspieler
Die jun­gen Schauspieler in PETTING ZOO haben den glei­chen sozio-kul­tu­rel­len Hintergrund wie ihre Rollen und wur­den alle in mei­nem erwei­ter­ten Umfeld, durch Castings an mei­ner ehe­ma­li­gen High-School und offe­nen Castings in San Antonio und Houston ent­deckt. Ich arbei­te ger­ne mit die­ser Beset­zung aus Laiendarstellern. Meine Laiendarsteller waren alle wirk­lich gute Schauspieler. Laiendarsteller heißt ja nicht, daß sie sich kei­ne Mühe machen, um die Geschichte und die Herkunft ihrer Figur zu begrei­fen. Devon Keller ist eine erstaun­li­che Schauspielerin, sehr flei­ßig und super­schlau. Ich wür­de sie ger­ne in vie­len ande­ren Rollen sehen, denn sie wird das super­toll machen. Genau wie die drei ande­ren Ju­gendlichen in PETTING ZOO die alle zum ers­ten mal spielen.

Dreharbeiten
Bei den Dreharbeiten waren wir meis­tens ein Team von 10 Leuten (Art Director, Kostüm, Produzent, Her­stellungsleitung, Kamera, Licht, eine Tonfrau für alles, Kameraassistenz, Devon und ich), wir alle wohn­ten drei Monate in Uthas Haus (Art Director), außer Devon, die bei ihrer Mutter leb­te. Meine Kinder sind auch in dem Film, weil wir ja kei­nen Babysitter hat­ten. Das FBI stand irgend­wann vor der Tür, weil wir aus Verse­hen ihr gehei­mes Hauptquartier gedreht hat­ten, als wir ver­such­ten, Wild für die Tierszenen auf-zuneh­­men, die wir dann nie ver­wen­det haben. Die größ­te Herausforderung (neben Klapperschlangen, Feu­erameisen und Sonnenbränden) beim Drehen war die Verständigung.
Ein Film ist die Summe von allem, was du da rein­steckst. Also soll­test du, wenn du einen auf­rich­ti­gen Film machen willst, dar­auf ach­ten, bei der Herstellung des Films ehr­lich und auch ein­deu­tig zu sein.

» weni­ger


Deutschland, Griechenland, USA 2015, 93 Min., engl. OmU

Buch und Regie: Micah Magee
Kamera: Armin Dierolf
Schnitt: Chris Wright
Mit: Devon Keller, Austin Reed, Deztiny Gonzales, Kiowa Tucker u.a.

Verleih: Peripher

Kritiken:

Petting Zoo Trailer – dt. OmU from Peripher Filmverleih on Vimeo.