Ein Film von Markus Schleinzer. Markus Schleinzer ist am 28.11. zu Gast im fsk-Kino
„Ihr erster großer Sieg auf dem Weg, Mensch zu werden.“ lobt die Comtess den Jungen nach seinem Flötenvortrag, und sie meint das durchaus anerkennend. Der Junge, den sie aufzieht, dem sie Manieren und Kuschen beibringt und eine sprachlich-musikalische Ausbildung zukommen lässt, wurde vorher nach ihrem Wunsch auf den Namen Angelo getauft, und noch früher mit vielen anderen Leidensgenossen aus seiner afrikanischen Heimat verschleppt, um in Europa verkauft zu werden. Der jetzt Angelo genannte kommt im Höfischen unter, wo er als „edler Wilder“ durchgereicht wird. Schlau genug jedoch zu erkennen, dass es ihn als Sklave viel schlimmer hätte treffen können, lässt er vieles über sich ergehen, schweigt bei Tafel, hört zu und lernt. Schließlich nutzt er die Lust an der Exotik seines Publikums, dessen Projektionsfigur er perfekt verkörpert, zu seinem Vorteil, verinnerlicht aber nach und nach seinen Stand als „Hofmohr“. Zudem ist ihm natürlich keinerlei Abweichung von den Erwartungen und Regeln erlaubt. Nachdem die heimliche Heirat mit einer weißen Angestellten auffliegt, beraubt man ihm seiner Privilegien und entlässt ihn in die „Freiheit“, wo er durch seine Hautfarbe immer als Außenseiter wahrgenommen werden wird.
Lose angelehnt als die Geschichte von Angelo Soliman (1721–1796), der es in Wien als Vorzeigeobjekt zu einiger Bekanntheit brachte, hat Schleinzer (Michael) eine kluge Auseinandersetzung mit Kolonialismus und den Folgen geschaffen. In kunstvollen Tableaus erzählt er von den vielen Facetten des eurozentrischen Rassismus und überführt die falsche sogenannte Toleranz. Das Schicksal von Angelo Soliman wird damit stellvertretend für den Umgang Europas mit ‚dem Anderen‘. Ein hochaktueller Stoff, der hier in einer kunstfertigen und analytisch scharfen Bilderwelt aufgeht und ein weiterer Beweis für die außergewöhnliche Eigensinnigkeit des österreichischen Kinos.
AT/LU 2018, 111 Min., französisch-deutsche OmU-Fassung
Regie: Markus Schleinzer
Kamera: Gerald Kerkletz
Schnitt: Pia Dumont
mit: Makita Samba, Alba Rohrwacher, Larisa Faber, Kenny Nzogang, Lukas Miko
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